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Windbruch

Windbruch

Titel: Windbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Bergsma
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Tilman erfahren, das hat ihr einen
heftigen Schock versetzt. Na ja ... und dann warst ja auch du noch so plötzlich
weg.“
    „Es war ein Fehler, dass ich ihr
nichts gesagt habe.“
    „Ja, vielleicht. Aber in der
Situation war es eben so, Maarten. Es war für uns alle ein Ausnahmezustand.
Tomke wird es verstehen, wenn erstmal wieder Ruhe eingekehrt ist.“
    „Wohin geht sie, wenn sie aus dem
Krankenhaus kommt?“
    „Sie will nach Hause, hat sie
gesagt. Ich hatte ihr angeboten, dass sie mit zu uns kommt. Aber sie wollte
nicht.“
    „Meinst du ... ich sollte wieder
zurückkommen, Wiebke?“, fragte er zögerlich.
    „Nein, besser nicht, Maarten.
Noch ist ja der Täter nicht gefasst. Und das Schwierige ist, dass Tilman ja
nichts sagen kann. Außerdem wollte Sonja nicht, dass die Polizei ihn sofort
befragt. Keine Ahnung, ob die da jemals weiterkommen.“
    „Sag mir bitte Bescheid, wenn
Tomke wieder zuhause ist. Ich werde sie dann anrufen und ihr in Ruhe alles
erklären ... wenn sie überhaupt noch mit mir sprechen will.“
    „Lass ihr Zeit, Maarten. Sie
braucht jetzt erstmal viel Ruhe. Ich werde sie fragen und gebe dir dann
Bescheid, wenn sie bereit ist, mit dir zu telefonieren.“
    „O. k., Wiebke. Ich verlass mich
auf dich. Danke, dass du gleich angerufen hast. Bitte halte mich auf dem
Laufenden.“
    „Natürlich, Maarten, das mach ich
gerne. Ich melde mich, sobald es wieder was Neues gibt.“
    „Das ist lieb. Danke.“ Maarten
ließ den Hörer fallen und starrte ins Leere. Er hatte keinerlei Vorstellung,
wie es jetzt weitergehen sollte. Einfach zur Tagesordnung überzugehen schien
ihm unmöglich. Er würde jetzt erstmal ins Bett gehen und schlafen. Alles andere
würde sich dann schon ergeben.

60
    Es war früher Abend, als Maarten
plötzlich hochschreckte. Er hatte geträumt. Von Tomke. Zunächst war es ein
wunderschöner Traum gewesen. Sie waren unter einem strahlendblauen
Frühlingshimmel lachend über die weiten ostfriesischen Felder gelaufen, Hand in
Hand, immer geradeaus, dem undurchbrochenen, weiten Horizont entgegen. Ein
würziger und auch ein wenig modriger Geruch hatte in der Luft gelegen, und sie
hatten ihn tief in ihre vom langen Winter ausgehungerten Lungen gesaugt.
Zwischendurch hatten sie halt gemacht, sich ins Gras gelegt. Tomke hatte
Löwenzahn gepflückt, die gelben Blüten von den Stielen getrennt. Letztere hatte
sie dann mehrfach eingerissen und in einen kleinen Teich geworfen, wo sie sich
zu lustigen Figuren zusammenkringelten. Überall dort, wo sie auf Taubnesseln
trafen, hatten sie aus ihren weißen Blüten den Nektar herausgesaugt und sich am
herrlich süßen Geschmack erfreut. Und über allem hatte ein Gefühl geschwebt,
das sich nur mit einem Wort beschreiben ließ: Liebe. Noch nie in seinem ganzen
Leben war Maarten so unendlich glücklich gewesen; und noch nie hatte sich das,
was er tat, so bedingungslos richtig angefühlt.
    Doch ganz plötzlich, von einem
Moment auf den anderen, waren dunkle Wolken heraufgezogen. In einem rasenden
Tempo waren sie immer dichter geworden, bis sie wie eine feuchte, kalte Wand
schwer auf der Erde lagen und ihn und Tomke zu erdrücken drohten. Tomke hatte
sich ängstlich und vor Kälte zitternd an ihn geschmiegt und ihm zugeflüstert,
er solle sie nie wieder alleine lassen. Ihr Gesicht hatte sich zu einer Fratze
unfassbaren Grauens verzerrt, als sich aus der fast schwarzen Wolkenbank
plötzlich die Gestalt des kleinen Tilman gelöst hatte, der wie ein Gespenst
langsam auf sie zuschwebte und sie aus großen Augen flehend und zugleich
vorwurfsvoll ansah. Immer wieder hatte er seinen Mund aufgerissen, aber es war
kein Laut herausgekommen, außer dem grellen Pfeifen des Windes, der durch ihn
hindurch zu blasen schien. Tilman hatte, wie von Geisterhand gesteuert, einen
kleinen Zettel aus den Wolken gezogen und ihn zerrissen. Und auf einmal hatte
sich dieser Zettel vervielfacht, es waren mehr und mehr geworden, bis es schließlich
eine ganze Lawine aus Papier gegeben hatte, die auf ihn und Tomke zugerollt,
jedoch kurz, bevor sie sie unter sich begraben würde, zum Stillstand gekommen
war.
    Maarten
hatte seine zitternde Hand ausgestreckt und einen der Zettel aus der
blendendweißen Lawine gezogen. In diesem Moment hatte sich vor ihm ein
schwarzer Abgrund aufgetan, auf dessen Grund ein speiender Vulkan, einem höllischen
Inferno gleich, meterhohe Flammen in die Luft spie. Er hatte gespürt, wie sich
Tomkes Körper ganz langsam von seinem Arm löste. Voller

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