Windbruch
Franziska.
Sie klang aber weniger gespannt, als immer noch gequält.
„Ich glaube, dass Inka was damit
zu tun hat.“
„Inka? Unsere Inka? Warum das
denn? Das ist doch total ... abwegig!“ Nun klang Franziskas Stimme schon
deutlich lebhafter. „Bist du sicher, Maarten, dass mit dir alles in Ordnung
ist?“
„Mal langsam, Franziska. Lehn
dich zurück und ich erzähl dir alles. Wenn du es dann immer noch für
Schwachsinn hältst, kannst du sofort wieder ins Bett gehen. Hm. Sag mal, wer
ist eigentlich Imke?“
„Geht dich nichts an.“
„Nun, dann hör gut zu.“
In kurzen Worten erzählte Maarten
Franziska von seinem Traum und seiner daraus resultierenden Schlussfolgerung,
Inka könne was mit den ominösen Gedichten zu tun haben, die er bekommen hatte.
„Und, was meinst du“, fragte er zum Schluss, „könnte ich da richtig liegen?“
„Vielleicht. Aber vielleicht auch
nicht. Klingt ein bisschen weit hergeholt. Schließlich war Inka selber ein
Opfer und hat kräftig was über den Schädel gekriegt. Wenn überhaupt, dann muss
sie also auch noch einen Komplizen gehabt haben. Und um das alles einzufädeln,
hatte sie nur wenige Minuten Zeit. Weiß nicht, ob die Polizei darauf anspringt
und gleich ein Sondereinsatzkommando losschickt. Außerdem ... dass Inka so
etwas Gemeines tun könnte, will mir noch immer nicht in den Kopf.“
„Ja, ich hab mit dem Gedanken
auch meine Schwierigkeiten. Aber bevor wir irgendwas übersehen, nur weil uns
jemand sympathisch ist, sollten wir der Sache trotzdem auf den Grund gehen.“
„Wenn überhaupt, dann sollte die
Polizei der Sache auf den Grund gehen. Du bist raus aus dem Spiel, Maarten,
vergiss das nicht. Und von New York aus wirst du Inka wohl kaum verhaften
können“, sagte Franziska bestimmt.
„Wir sollten Büttner gleich
morgen früh informieren. Hast du eine Ahnung, wann er wieder auf dem Revier
ist?“
„Nee. Aber vermutlich um acht.
Ist doch Beamter. Acht bis sechzehn Uhr mal gucken, was zu tun wäre, und dann
Bleistift fallen lassen und auf den nächsten Tag verschieben.“
„Du hast keine hohe Meinung von
der Polizei.“
„Haben in diesem Fall noch nicht
viel gerissen, wenn du mich fragst. Der einzige, der festsitzt, ist Naumann.
Und der hat sich mit seiner Blödheit ja praktisch selbst ans Messer geliefert.
Da musste man wahrlich kein zweiter Sherlock Holmes sein.“
„Nun, vielleicht fehlt denen ja
auch einfach nur ein Watson. Ich ruf da morgen mal an und leiste ein wenig
Überzeugungsarbeit. Die sollen Inka einfach nur mal vorladen.“
„Wenn sie mit der Sache nichts zu
tun hat, wird sie ziemlich sauer auf dich sein“, gab Franziska zu bedenken.
„Zum einen sollte jeder in dieser
Situation Verständnis dafür haben, dass er vernommen wird. Zum anderen sitze
ich, wie du schon richtig feststelltest, in New York. Da kann es mir ziemlich
wumpe sein, wer mich in Ostfriesland gerade zur Hölle wünscht.“
„Wenn du meinst. Übrigens kommt
Tomke morgen aus dem Krankenhaus.“
„Ja, ich weiß, Wiebke hat es mir
gesagt.“
„Ich geh dann morgen Abend mal
hin und schau nach ihr.“
„Ja, mach das. Schlaf gut,
Franziska. Sorry noch mal für die späte Störung. Und ... Gruß an Imke.
„Ja. Du mich auch.“
61
Inka Henzler hatte eine Wohnung
direkt in der Emder Fußgängerzone Zwischen beiden Sielen . Sie brauchte
das geräuschvolle Leben; die Ruhe und Abgeschiedenheit auf dem Land machten sie
depressiv. Sie war ungebunden, hatte weder Mann noch Kind. Sie lebte für ihre
Arbeit, machte zahlreiche Überstunden, die sie aber nur selten abbummelte. Sie
habe Angst, schon früh am Abend in ihre leere Wohnung zurückzukehren, wo
niemand auf sie warte, hatte sie mal gesagt, die Wochenenden seien für sie die
Hölle. So kam es, dass man sie selbst an Sonn- und Feiertagen, wenn die meisten
Menschen im Kreise ihrer Familie bei Kaffee und Kuchen gemütlich zusammensaßen,
sehr häufig in der Firma antraf.
Umso mehr erstaunte es ihre
Kollegen, dass sie nach der Entführung des kleinen Tilman nicht mehr im
Unternehmen gesehen worden war. Natürlich, sie hatte bei dem Überfall eine
Verletzung am Kopf davongetragen und ganz bestimmt einen Schock erlitten. Aber
nichts sprach dafür, dass sie deswegen nicht zur Arbeit kam. Ganz im Gegenteil
hatte sie doch immer dann am meisten geschuftet, wenn es ihr nicht besonders
gut ging. Und noch nie war es vorgekommen, dass sie sich, sollte sie
tatsächlich mal etwas anderes vorhaben als zu arbeiten, nicht
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