Windbruch
hat uns ein paar interessante Dinge erzählt, die uns nur leider nicht wirklich
weiter gebracht haben.“ In kurzen Worten umriss er Tomkes Bruder, was die junge
Frau ihnen nach dem Unglück auf der Plattform berichtet hatte.
„Na, der Mord an Rautschek kann
es ja nicht gewesen sein“, schlussfolgerte Keno treffend. „Und was hat sie
jetzt herausgefunden?“
„Das erfahren wir in zehn
Minuten“, sagte Maarten. „Kommt, wir gehen.“
Nur wenig später schloss Keno die
Kellertür hinter sich, und wieder zuckten alle beim lauten Quietschen zusammen.
Doch nichts regte sich in der Nachbarschaft, und Maarten war dankbar, dass es inzwischen
in Strömen regnete und vermutlich keiner sein Haus verließ, wenn er nicht
unbedingt musste. Franziska versuchte, das Polizeisiegel notdürftig wieder so
zu platzieren, dass man die Beschädigung nicht auf den ersten Blick erkennen
würde, wenn man die Kellertreppe hinunterschaute. „Nun ja“, murmelte sie, als
sie abschließend ihr Werk betrachtete, „nicht schön, aber brauchbar.“ Dann lief
sie in gebückter Haltung, die Kapuze ihres Anoraks tief ins Gesicht gezogen,
den anderen hinterher und stellte zufrieden fest, dass die Dunkelheit inzwischen
so weit fortgeschritten war, dass man sie von den beleuchteten Fenstern der
Nachbarhäuser aus nicht mehr würde erkennen können, selbst wenn jemand ihre kleine
Prozession durch den Garten entdeckte.
68
Esther saß bereits im Bistro, als
Maarten, Franziska und Keno ankamen. Sie hatte sich einen Tisch ganz hinten in
der Ecke ausgesucht und schlürfte gerade mit einem Strohhalm den letzten Rest
ihrer Kirschschorle aus dem Glas. Als die drei an ihren Tisch traten, sah sie
auf und lächelte sie freundlich an. „Hallo“, sagte sie „ich hoffe, der Platz
hier ist o. k. Ich habe schon ein ganzes Glas Schorle vernichtet, weil ich
einen so unheimlichen Durst hatte. Wer ist denn das?“, fragte sie ohne Luft zu
holen, als sie Keno entdeckte.
„Das ist Keno, Tomkes Bruder“,
stellte Maarten ihn vor, „Keno, das ist Esther.“ Die zwei nickten sich lächelnd
zu, und Maarten hatte den Eindruck, dass sie sich auf Anhieb sympathisch waren.
„Tut mir leid, das mit Tomke“,
sagte Esther und ihr Gesicht verfinsterte sich. „Da ging es ihr gerade wieder
gut und dann so was. Kaum vorstellbar, auf was für Ideen so Schwachmaten alles
kommen. Erst wird das Kind entführt, dann verschwindet Inka Henzler und jetzt
Tomke. Es ist einfach unfassbar! Aber ...“, stockte sie für einen Augenblick
und griff nach einem Handy, „vielleicht habe ich einen Tipp für euch. Hm.
Vielleicht auch nicht, aber einen Versuch ist es wert. Ich dachte, es kann
nicht schaden, wenn ich es euch mal zeige. Ich jedenfalls war ziemlich
geschockt, als ich es gesehen habe.“
„Da bin ich aber mal gespannt“,
sagte Maarten und starrte gebannt auf Esthers Finger, die sich jetzt wie der
Blitz über die Tasten bewegten.
„Cooles Handy“, bemerkte Keno,
„das wollte ich ...“ In diesem Augenblick wurde er von der Kellnerin
unterbrochen, die ihre Bestellung aufnahm. Alle drei entschieden sich für einen
Cappuccino, Esther für eine weitere Schorle, und die junge Frau ging wieder zum
Tresen zurück.
„Ja, das finde ich auch“, nahm
Esther den Faden wieder auf und bearbeitete weiterhin unbeirrt die Tasten. „Es
gehört mir aber eigentlich gar nicht.“
„Was heißt das, eigentlich“,
hakte Franziska nach, „kann einem ein Handy auch uneigentlich gehören?“
„Ja. Nein. Es ... gehörte Antje.“
„Antje? Deiner Freundin, die
...“, setzte Maarten an, wurde aber gleich wieder von Esther unterbrochen.
„Ja, genau die.“
„Und wie kommt das Handy zu dir?“
„Ich ... war die Tage bei ihren
Eltern, um zu fragen, wie es ihnen geht. Wissen Sie ...“
„Du kannst uns ruhig duzen,
Esther“, bot Maarten ihr an.
„Ja, gut, danke. Also, wisst ihr,
ich war früher sehr oft bei Antje zuhause, unsere Eltern nannten uns immer die
Unzertrennlichen, weil wir uns im Sandkasten kennen gelernt und dann immer
alles zusammen gemacht haben.“ Esther schluchzte kurz auf und wischte sich
verstohlen eine Träne aus dem Auge. „Na ja, ist ja auch egal. Also, ich war bei
Antjes Eltern, und dieses Handy lag bei ihnen auf dem Wohnzimmertisch, neben
noch einigen anderen Sachen. Es waren die Dinge, die sie im Krankenhaus
ausgehändigt bekommen haben, nachdem ... nach ihrem Tod.“
„Und sie haben es dir
geschenkt?“, fragte Franziska erstaunt.
„Ja. Ich wollte es
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