Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Windbruch

Windbruch

Titel: Windbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Bergsma
Vom Netzwerk:
vermisste?
Vielleicht hatte noch gar keiner bemerkt, dass sie verschwunden war. Denn hatte
sie nicht allen gesagt, sie bräuchte ihre Ruhe und wolle erstmal nicht gestört
werden? Ja, genau das hatte sie gesagt. Und dann würde es auch keiner tun. Sie
hatte über ihr weiteres Leben nachdenken wollen. Denn nach dem Unglück, das sie
um ein Haar das Leben gekostet hatte, war nichts mehr wie zuvor. Und Maarten
war weg. Er war einfach gegangen, ohne sich von ihr zu verabschieden. Ohne ein
Wort. Wiebke hatte versucht, ihr seine Beweggründe zu erklären. Aber ganz egal,
was auch immer ihn dazu bewogen haben mochte, nach Amerika zurückzukehren, er
hätte es ihr persönlich sagen müssen. Dass er es nicht getan hatte, deutete
darauf hin, dass ihm doch nicht so viel an ihr lag, wie sie es sich eingebildet
hatte, nachdem er sich im Krankenhaus so rührend um sie gekümmert hatte.
Maarten. Was er wohl gerade machte? Hatte er sie womöglich schon vergessen?
    Nein, sie wollte jetzt nicht an
ihn denken. Es tat zu weh. Wo war sie in ihren Gedanken stehen geblieben, bevor
sie über ihn nachgedacht hatte? Ach ja. Bei ihrer Ruhe, die sie haben wollte.
Hm. Würde es nicht vielleicht auffallen, wenn in ihrem Haus kein Licht brannte?
Würde dann nicht vielleicht doch mal jemand nachsehen, ob alles in Ordnung war?
Nein, vermutlich würden sie annehmen, sie sei für ein paar Tage verreist. Um
ihre Ruhe zu haben. Mist! Hätte sie das doch bloß nicht gesagt! Ruhe wurde
sowieso völlig überbewertet. Ja, Ruhe konnte auch die wahre Hölle sein. Das
merkte sie ja jetzt hier, in diesem Raum, der ausstaffiert war wie ein Zimmer
im Puff. Hier, wo sie sich in einer ausweglosen Situation befand und nichts
hörte, außer den Wind - und das leise, gequälte Wimmern.
    Würde sie womöglich auch bald so
kläglich wimmern, wie die Frau oder der Mann nebenan? Sie ging davon aus, dass
es eine Frau war. Womöglich war sie nicht sein erstes Sexopfer. Wieso hatte sie
nichts bemerkt, in all den Jahren? Wieso hatte keiner etwas bemerkt? Georg
Hufschmidt war eigentlich immer ein ganz normaler Kollege gewesen. Gut, er war
häufig mürrisch gewesen und nicht immer sehr kooperativ. Aber das war ja noch
nicht wirklich außergewöhnlich und schon gar nicht kriminell. Er hatte immer
gut mit Inka zusammengearbeitet. Inka. Man verdächtigte Inka, den kleinen
Tilman entführt zu haben. Es gab wohl Beweise. Ausgerechnet Inka. Sie, Tomke,
hatte den Fahndungsaufruf in der Zeitung gelesen. Inka war abgetaucht. Nein, so
eine Tat hätte sie ihr niemals zugetraut. Warum nur hatte sie das getan? Es
musste im Zusammenhang mit dieser Säure stehen, die irgendwer aus der Firma anscheinend
illegal in der Nordsee verklappt hatte. Es sah so aus, als hätte Inka irgendwas
damit zu tun. Aber sie war doch schon so lange bei Greenpeace aktiv. War das
nur Show? Was mochte sie dazu getrieben haben, so was zu tun? Oder war alles
nur ein Missverständnis? War sie in Panik geraten? Hatte man ihr vielleicht ...
    Was war das? Panik kroch in ihr
hoch und schnürte ihr die Kehle zu. Er war wieder da!
    „Na, mein Täubchen“, sagte Georg
Hufschmidt, nachdem er das Licht eingeschaltet hatte, und trat auf sie zu,
„hast du schon auf mich gewartet? Es tut mir leid, dass ich so lange weg war,
aber leider ging es nicht anders.“ Er sah sie mit gierigen Augen an und strich
ihr mit seinen Fingern über die noch immer frei liegenden Brüste. „Weißt du,
mein Engel“, fuhr er fort, „nach der ganzen Scheiße, die heute in der Firma
war, wusste ich erst gar nicht, wo ich hingehen sollte. Sie werden mich überall
suchen. Bestimmt werden sie mich einsperren. Auf einmal soll ich den Prügelknaben
spielen für das, was unsere Chefs verbockt haben. Dabei habe ich doch immer nur
meinen Job gemacht, habe das getan, was mir gesagt wurde. Natürlich habe ich
schnell gemerkt, dass da was nicht mit rechten Dingen zuging. Und dann habe ich
mir den Teil genommen, der mir zustand. Für all den Ärger, den ich in dieser beschissenen
Firma gehabt habe. Nein, ich habe mir ganz bestimmt nichts vorzuwerfen.“
    Tomke spürte wieder die Übelkeit
in sich aufsteigen, als sie seine Finger auf ihren Brüsten spürte. Sie meinte,
sich vor lauter Ekel übergeben zu müssen. Aber noch überwiegte der brennende
Durst. Wollte ihr dieses Schwein denn gar nichts zu trinken geben? Wollte er
sie hier verdursten lassen? Dachte er überhaupt darüber nach? Sie versuchte,
sich mit dem einzigen Mittel verständlich zu machen, das

Weitere Kostenlose Bücher