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Windbruch

Windbruch

Titel: Windbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Bergsma
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schon o. k.“
    „Also, wir sind los und haben
dieses Haus gesucht. Das war gar nicht so einfach, denn es war ja dunkel und
noch dazu sehr neblig. Aber in Leybuchtpolder haben wir dann einen Mann mit
Hund auf der Straße getroffen. Und der konnte uns sagen, wo das Haus ist. Keno
hatte inzwischen deine anderen Brüder alarmiert, und die kamen in einem Affenzahn
praktisch gleichzeitig mit uns da an. Wie du dir vorstellen kannst, haben sie
nicht lange gefackelt und sind recht schwungvoll in das Haus eingedrungen,
zumal sie dich schreien gehört hatten. Wenig später kam dann auch die Polizei,
die wiederum von Franziska herbeigeholt worden war. Ja, und den Rest kennst
du.“
    „Ihr seid ziemlich auf Zack“,
sagte Tomke, aber ihre Stimme zitterte. Und dann, von einem Moment auf den
anderen, schlug sie die Hände vors Gesicht und fing laut schluchzend an zu
weinen.
    Maarten nahm sie in den Arm,
drückte sie fest an sich und strich ihr über den Rücken. „Lass es raus, mein
Schatz“, flüsterte er ihr ins Ohr, und auch ihm standen jetzt Tränen in den
Augen, „lass es einfach raus.“
    „Bitte, lass mich nie wieder
alleine, Maarten“, schluchzte sie und vergrub ihren Kopf tief an seiner
Schulter, „nie, nie wieder!“

73
    Maarten konnte sich nicht
erinnern, jemals so oft in einen Krankenhaus gewesen zu sein, wie in den
letzten Wochen. Inzwischen war er schon so bekannt, dass er sogar von einzelnen
Ärzten und Schwestern mit Namen begrüßt wurde, wenn er kam. Als er an diesem
Nachmittag die Station betrat, auf der Tomke lag, hoffte er, dass dies für
lange Zeit sein letzter Besuch sein würde. Denn Tomke sollte nun, nachdem sie
zwei Tage mittels Infusionen wieder aufgepäppelt worden war, nach Hause entlassen
werden. Da ihre Wohnung noch nicht ganz wieder hergestellt war, würde er sie
erstmal mit zu sich nehmen.
    Sie hatte ihre wenigen Sachen
schon gepackt, als er in ihr Zimmer kam. Sie saß auf dem Bett und ließ die
Beine baumeln. Ein Strahlen ging über ihr Gesicht, als Maarten auf sie zu kam
und sie in den Arm nahm. „Fühlst du dich auch fit genug, um wieder nach Hause
zu gehen?“, fragte er besorgt und strich ihr zärtlich eine Locke aus dem
Gesicht.
    „Ich könnte Bäume ausreißen“,
strahlte Tomke, und tatsächlich fühlte sie sich so gut wie schon lange nicht
mehr. Am vergangenen Tag hatte sie ein Gespräch mit einer Psychologin gehabt,
und das hatte ihr sehr gut getan. Sie würde sie auch in den kommenden Monaten
noch begleiten und ihr helfen, die schrecklichen Erlebnisse der letzten Wochen
zu verarbeiten. Doch am meisten Kraft, und da war sie sich ganz sicher, würde
sie aus ihrer Liebe zu Maarten schöpfen. So lange er ihr zur Seite stand, würde
sie das Gefühl haben, dass alle Wunden, die körperlichen wie die seelischen, in
den nächsten Wochen und Monaten verheilen würden.
    Maarten schnappte sich Tomkes
Tasche und schmiss sie sich mit Schwung über die Schulter. „Und, du schönste
aller Frauen“, lächelte er und gab ihr einen Kuss auf die Nase, „wohin möchtest
du jetzt als allererstes gehen?“
    „Auf den Weihnachtsmarkt“, sagte
sie prompt.
    „Ach“, erwiderte Maarten
erstaunt. Damit hatte er jetzt nicht gerechnet.
    „Ja“, sagte sie bestimmt, „ich
möchte einen Crêpe essen und einen Glühwein trinken.“
    Als Maarten sie perplex anguckte,
fügte sie hinzu: „Ich war in diesem Jahr noch gar nicht auf dem
Weihnachtsmarkt. Und nun ist die Adventszeit schon bald vorbei. Also möchte ich
jetzt die Chance nutzen, um noch ein wenig vorweihnachtliche Atmosphäre
mitzubekommen. Ich habe mich schon die ganze Zeit darauf gefreut.“
    „Nun“, sagte er lachend, „wenn
das so ist, dann sollst du es auch haben. Du wirst ab heute alles von mir
bekommen, was du dir wünscht.“
    Bei diesen Worten lief Tomke ein
kalter Schauer über den Rücken und sie schauderte. Genau diesen Satz hatte erst
vor wenigen Tagen Georg Hufschmidt zu ihr gesagt, bevor er sich auf sie
stürzte. Unwillkürlich kam ein tiefer Seufzer über ihre Lippen.
    „Ist alles o. k., Tomke?“, fragte
Maarten, der schon zur Tür hinaus war.
    „Ja“, sagte sie und lächelte,
„ja, alles kein Problem.“
    In den letzten zwei Tagen hatte
es geschneit. Wie befreit atmete Tomke die frische, eisige Luft tief in ihre
Lungen, als sie in Emden durch die Große Straße in Richtung Ratsdelft und
Stadtgarten gingen. Sie genoss das Quietschen des Schnees unter ihren Schuhen
und das Gewirr der Menschen, die sich, dick eingemummelt

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