Windbruch
er nun nach Hauke fragte, war ein untrügliches Zeichen dafür, dass
er sich große Sorgen machte.
Maartens Stirn umwölkte sich.
„Gar nicht gut, Vadder, Hauke geht es leider gar nicht gut. Er hat Blut
gespuckt, als ich da war.“
„Oha“, sagte sein Vater nur und
schüttelte den Kopf.
„Was mach das nur sein?“, sagte
Frau Sieverts und kniff die Augen zusammen. „Der Junge war doch immer so
gesund. Und jetzt das. Da kann doch was nicht mit rechten Dingen zugehen.“
Maarten dachte an Harry, der von
Haukes Verdacht gesprochen hatte, man würde ihn vergiften. „Ich weiß es auch
nicht, Mudder“, sagte er. „Habt ihr was von dem Verdacht gehört, dass Hauke
vergiftet wurde?“
Sein Vater nickte. „Ja, wurde mal
beim Kegeln drüber gesprochen. Aber, mal ehrlich, wer sollte Hauke wohl vergiften.
Hat doch niemandem was getan, der Jung.“
„Nee“, pflichtete seine Frau ihm
bei und schenkte noch mal Tee nach. „Da muss wohl wat anners dahinter stecken.“
„Ich dachte ...“, setzte Maarten
gerade zu einer Erwiderung an, als es plötzlich an der Tür läutete. „Erwartet
ihr Besuch?“
Seine Eltern schüttelten den
Kopf. „Nee“, sagte Frau Sieverts, „is vielleicht eine deiner Schwestern.“
„Ich schau mal nach“, sagte
Maarten und drückte seine Mutter, die sich gerade erheben wollte, sanft wieder
auf ihren Stuhl zurück.
„Maarten?“, fragte eine junge
Frau, als er die Tür geöffnet hatte. Er nickte und schaute sie fragend an. „Was
kann ich für Sie tun? Oder wollen Sie zu meinen Eltern?“
„Nee“, sagte sie und deutete ein
Lächeln an. „Nee, ich wollte zu dir. Ich bin Sonja, Haukes Frau.“
„Sonja!“ Maarten reichte ihr die
Hand und bedeutete ihr einzutreten. „Vater, Mutter, das ist ...“, wollte er die
junge Frau seinen Eltern vorstellen, als er mit ihr im Schlepptau die Küche
betrat, wurde aber durch deren zweistimmiges Moin, Sonja unterbrochen.
Sie kannten sich also schon. Na ja, dachte er sich, das hätte er wissen müssen.
Hier kannte ja offensichtlich jeder jeden.
„Tasse Tee, Sonja?“, fragte Frau
Sieverts und hob die Kanne vom Stövchen.
„Gerne“, lächelte Sonja und
setzte sich unaufgefordert auf das rote Ostfriesensofa. Sie schien hier
wirklich nicht ganz fremd zu sein, stellte Maarten fest. „Maarten, Hauke hat
mich gebeten, dir das zu geben“, kam sie dann gleich zum Zweck ihres Besuches
und zeigte auf eine gelbe Mappe, die sie auf den Tisch gelegt hatte. „Er
wollte, dass ich mit dir was bespreche.“
„Ich geh dann mal wieder in’n
Garten“, brummte Herr Sieverts und stand auf. Beim Hinausgehen legte er Sonja
kurz seine Hand auf die Schulter. „Alles Gute, mien Wicht. Und grüß Hauke von
uns.“
„Ich muss dann mal einkaufen“,
murmelte Maartens Mutter, und damit war auch sie aus der Küche verschwunden.
Maarten betrachtete die junge
Frau im hellgelben Sommerkleid, die ihm gegenüber saß und zunächst still ihren
Tee schlürfte. Sie war eine reizende kleine Person, fand er. Vielleicht etwas
blass, aber das war unter diesen Umständen ja auch kein Wunder. Sie hatte eine
zierliche Figur, ein hübsches, schmales Gesicht mit ebenmäßigen Zügen. Ihre dunklen
Augen machten, auch wenn um sie herum dunkle Ringe lagen, einen hellwachen
Eindruck. Ihre glatten, blonden Haare trug sie zu einem Pferdeschwanz gebunden.
„Hauke bittet dich, dir diese
Unterlagen mal anzusehen“, begann Sonja unvermittelt wieder zu sprechen und
reichte ihm die mitgebrachte Mappe. Maarten blätterte sie kurz durch. Es waren
Werbeunterlagen einer Firma, stellte er fest.
„Das ist die Firma, bei der Hauke
beschäftigt ist“, fuhr Sonja fort. „Sie bauen Windkraftanlagen.“
„Ja“, nickte Maarten, „Hauke hat
es erwähnt. Er scheint nicht ganz glücklich mit diesem Job zu sein, oder?“
Sonja zog die Stirn in Falten und
schüttelte den Kopf. „Er meint, es war ein Fehler, für dieses Unternehmen zu
arbeiten. Er ...“, sie fing an zu zittern, als wäre ihr ganz plötzlich kalt,
und verschränkte die Arme vor ihrem Körper. „Er ... ist davon überzeugt, dass
diese Firma schuld ist an seiner Krankheit.“
Maarten nickte. „Ja, ich habe
Harry Veldkamp getroffen. Der hat so was angedeutet.“
Sonja sah auf und schaute Maarten
in die Augen. „Harry hat ihm nicht geglaubt. Und ehrlich gesagt ... ich weiß
auch nicht so recht, ob Hauke sich da nicht was zurecht gelegt hat.“
„Was sollte es denn für einen
Grund geben, dass ihn jemand
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