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Windbruch

Windbruch

Titel: Windbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Bergsma
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das wird schon“, befand
Harry und schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Einfach immer auf’n
Mann, das weißt du ja.“
    Inzwischen waren noch vier
weitere Freunde von Harry eingetrudelt, von denen Maarten keinen kannte, und es
konnte losgehen. Normalerweise gehörten zum Boßeln zwei Mannschaften, aber hier
sollte es ja nicht um einen Wettkampf gehen. Man wollte nur ein paar Kugeln auf
der Straße Richtung Wirdum schieben.
    Als Maarten zum ersten Mal seit
langer Zeit die Boßelkugel wieder in den Händen hielt, kamen sofort
Erinnerungen an frühere Wettkämpfe in ihm hoch. Und obwohl es ein sonniger und
sehr warmer Tag war, meinte er, plötzlich kalte Hände zu haben. Die
Boßelwettkämpfe hatten nämlich immer im Herbst und Winter stattgefunden, bei
Wind und Wetter. Wie oft hatte Maarten schon nach kurzer Zeit das Gefühl
gehabt, seine Hände würden ihm vor Kälte abfallen, wenn er frierend und
bibbernd am Straßenrand gestanden und auf seinen Einsatz gewartet hatte! Und
viel zu oft war es ihm passiert, dass seine vor Kälte starren Finger die
Gummikugel nicht mehr hatten halten können und er sie noch beim Anlaufnehmen
fallen ließ – was ihm nicht nur die missbilligenden Blicke seiner
Mannschaftskameraden, sondern der gegnerischen Mannschaft häufig auch noch
einen Punkt eingebracht hatte.
    „Na, Maarten, nu man los, worauf
wartest du denn?“, sprach ihn einer von Harrys Freunden an und gab ihm einen
freundschaftlichen Stoß in den Rücken. „Kalle hat sich vorne aufgestellt,
siehst du, und da, wo er steht, da schießt du jetzt einfach die Kugel hin, o.
k.?“ Maarten nickte. Ja, soweit konnte er sich noch erinnern. Wenn er mit viel
Schwung dahin schoss, wo der Mann, Kalle, in einiger Entfernung stand, dann
würde die Kugel am längsten auf der Straße bleiben. Und das war schließlich
Ziel der Geschichte. Die Mannschaft, die am Ende die vorgegebene Strecke mit
den wenigsten Schüssen hinter sich gebracht hatte, hatte das Spiel gewonnen.
    Maarten nahm Anlauf und guckte
dabei starr auf Anweiser Kalle. Mit viel Schwung brachte er dann die Kugel,
ähnlich wie beim Kegeln, in Fahrt, und sie donnerte über den Asphalt der
Landstraße. Nur, und das war schnell klar, schlug sie keineswegs die Spur
Richtung Kalle ein, sondern fiel bereits nach wenigen Metern ab und landete
schließlich mit einem Platscher im Straßengraben. Lautes Gelächter war die
Folge. „Na, Maarten, da geht aber noch wat“, lachte Harry und spurtete los, um
die Kugel wieder aus ihrem nassen Asyl zu fischen. Dazu hatte er den Sucher mitgebracht, einen langen Stab, an dessen Ende sich ein kleiner Korb aus Metall
befand. Mit diesem Korb stocherte Harry nun im trüben Nass des Grabens herum.
So eine Suche konnte schnell gehen. Es kam aber auch vor, dass die Kugel nicht
in angemessener Zeit wieder ans Licht befördert werden konnte und dann eine
Ersatzkugel zum Einsatz kam. Nach dem Spiel zog dann einer los, um sein Glück
erneut zu versuchen. Maarten wollte gar nicht wissen, wie viele Boßelkugeln
ihre letzte Ruhestätte in einem der ostfriesischen Straßengräben gefunden
hatten, weil es auch nach großer Anstrengung niemandem gelungen war sie aufzustöbern.
    Maarten verlebte einen amüsanten
Nachmittag mit Harry und seinen Freunden, es wurde viel gelacht und noch mehr
geflucht. Als sie schließlich an der Einfahrt nach Canhusen wieder ankamen, war
er völlig durchgeschwitzt und keuchte vor Anstrengung. Im Laufe des Spiels
hatte er seine Leistung deutlich steigern können und langsam den Maarten wieder
erkannt, der er früher gewesen war, als er mit roten Wangen und klammen Fingern
mit seiner Mannschaft den ein oder anderen Pokal nach Hause geholt hatte.
    „Und, Maarten, kommste noch mit,
`nen Lütten heben?“, fragte Harry, als sie ihr Equipment wieder in den Autos verladen
hatten.
    „Nee du, lass mal, ich will noch
zu Hauke ins Krankenhaus.“
    Harrys Gesicht verdüsterte sich.
„Brauchste nich, Maarten.“
    „Wieso? Ist er schon wieder
entlassen worden?“ In Maarten keimte ein Funken Hoffnung auf.
    Harry schüttelte den Kopf.
„Leider nich. Ich hab vorhin Sonja getroffen. Sie war am Boden zerstört, die
Arme. Sie haben Hauke ins künstliche Koma gelegt. Is gar nich mehr ansprechbar.
Und noch immer weiß keiner, woher er eigentlich diese Blutungen hat.“
    „Ins ... ins Koma?“, stammelte
Maarten erschrocken und merkte, wie ihm die Knie weich wurden. Schnell lehnte
er sich an das Auto, das ihm am nächsten stand. Die

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