Windbruch
folgst
mir.“
14
Tomke wohnte ganz in der Nähe der
Emder Innenstadt. Ihr kleines Häuschen lag unmittelbar am Ems-Jade-Kanal im
Bereich der Kesselschleuse. Maarten saß auf der Terrasse mit Blick auf den
Kanal und hörte im Hintergrund leises Stimmengewirr, das vom nahe gelegenen
Freibad zu ihm herüber drang. Es hatte zwischenzeitlich aufgehört zu regnen,
die Sommersonne schien wieder vom strahlend blauen Himmel. So schnelle
Wetterwechsel, wie es sie in Ostfriesland gab, hatte Maarten kaum irgendwo auf
der Welt erlebt. Es war schon faszinierend, dass man morgens aufstehen konnte
und angesichts des Regens meinte, die Welt ginge unter. Doch schon wenige
Stunden später war dann keine einzige Wolke mehr auszumachen und man nahm ein
ausgiebiges Sonnenbad.
„Schön hast du es hier“, sagte
Maarten, als Tomke mit einen voll beladenen Tablett auf die Terrasse trat.
„Ja, habe lange darauf warten
müssen, dass hier ein Haus zum Verkauf steht. Sind heiß begehrt, die Häuser
hier in der Gegend.“ Sie fing an, Tassen und Teller auf dem Tisch zu verteilen.
„Ich hatte gestern Abend Besuch und es sind noch einige Pasteten übrig
geblieben. Ich hoffe, du magst welche?“
„Gerne“, nickte Maarten und
bemerkte im gleichen Moment, dass er großen Hunger hatte. „Bei euch im Betrieb
ist mir ehrlich gesagt der Appetit vergangen, nachdem ich euren Chef kennen
gelernt hatte.“
„Jo. Das kann ich mir denken. Ist
auch wirklich kein Spaß mit dem.“ Tomke ging zurück ins Haus und kam wenig später
mit den Pasteten wieder zurück. Sie nickte Maarten auffordernd zu, und er schob
sich eine der kleinen gefüllten Blätterteigtaschen in den Mund. „Hm, köstlich“,
sagte er schmatzend. „Glückwunsch zu deinen Kochkünsten, Tomke.“
„Ach was. Die sind nicht von mir.
Hab keinen Spaß am kochen. Meine Gäste bringen immer was mit, die kennen das
schon. Was ich ganz gerne mache, ist backen. Und da bringe ich zu den anderen
dann immer Kuchen mit. Das gleicht sich wieder aus.“
Maarten sah Tomke an und
lächelte. Ja, so gerade heraus war sie immer gewesen. Bloß kein Gedöns
machen hatte sie schon als Kind immer gesagt. Überhaupt, wenn er sie nun
reden hörte, erinnerte ihn vieles an das kleine kesse Mädchen von damals. Nur
äußerlich hatte sie sich sehr verändert. Sie trug ihre strohblonden Haare inzwischen
lang, sie fielen in weichen Wellen auf ihre Schultern und ringelten sich am
Ende zu lustigen Korkenziehern. Ihr Gesicht war deutlich schmaler als früher
und wurden von großen, blauen und lebhaften Augen dominiert. Sie hatte eine
schmale, ebenmäßige Nase und einen vollen Mund. Wenn sie lachte, zeigten sich
auf ihren Wangen zwei tiefe Grübchen. Ihr schlanker, offensichtlich
durchtrainierter Körper stecke in Jeans und T-Shirt. „Du siehst toll aus“,
murmelte Maarten.
Tomke sah ihn erstaunt an.
„Danke“, sagte sie dann, „du aber auch. Könntest vielleicht noch ein wenig
Sonnenbräune vertragen.“
Maarten zuckte mit den Schulter.
„Ja, das ist wohl so. Aber du sorgst ja gerade dafür, indem du mich auf deiner
sonnigen Terrasse sitzen lässt.“
„Hast viel Stress bei der Arbeit,
vermute ich.“
„Ja, kann man sagen.“ Maarten
schmunzelte. „Und wenn mich meine Assistentin nicht praktisch in den Flieger
nach Deutschland getragen hätte, wäre ich jetzt, hm, ich glaube, gerade in
Dubai.“
„Da ist’s bei uns aber schöner.“
„Sicher.“ Es hatte ironisch
klingen sollen, aber Maarten merkte, dass das Gegenteil der Fall war.
Nachdenklich schaute er Tomke an, nippte an seinem Tee und sah gigantische
Glaspaläste und künstlich angelegte Palmeninseln vor sich, die sich inmitten
einer kargen Wüstenlandschaft erhoben. Ja, eigentlich hatte sie recht. Hier war
es tatsächlich schöner. Weniger spektakulär vielleicht, aber eindeutig schöner.
„Wie bist denn du eigentlich zu
der N.S.OffshorePower Ltd. gekommen?“, fragte er Tomke. „Scheint ja hier
nicht der beliebteste Arbeitgeber zu sein, wie ich gehört habe.“
Tomke seufzte und schob sich eine
Pastete in den Mund. „Ja, leider“, sagte sie, als sie die kleine Leckerei
hinunter geschluckt hatte. „Wir sind damals mit viel Tamtam angeworben worden,
man hat uns das Blaue vom Himmel versprochen. Viele haben ihren eigentlich
sicheren Arbeitsplatz bei VW oder bei BARD aufgegeben und bauen nun bei uns
Windmühlen. Und ebenso viele wünschen heute, sie hätten es nie getan.“
„Was genau läuft da schief?“,
fragte Maarten
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