Windbruch
lauernd.
„Ach, ich denke, es ist in erster
Linie die Art, wie mit den Mitarbeitern umgegangen wird. Vor allem mit denen,
die keine so hohe Qualifikation haben. Uns Ingenieure lässt man weitgehend in
Ruhe. Nicht weil sie uns so ins Herz geschlossen haben. Nein, sie wissen, dass
sie uns brauchen, dass ohne unsere Entwicklungsarbeit nichts läuft. Und Ersatz
ist schwer zu finden. Deswegen werden wir auch außergewöhnlich gut bezahlt.
Aber die anderen, die eigentlich die schwerste Arbeit machen, die den ganzen
Tag körperlich schuften, die werden behandelt wie die letzten Trottel.“ Tomke
strich sich eine Locke aus der Stirn, ihre Stimme klang gallebitter, als sie
das sagte. „Hast ja heute gesehen, wie der Naumann unseren Hannes behandelt
hat.“
„Den Gabelstaplerfahrer.“
„Genau. Der Naumann, das ist ein
richtiges menschliches Arschloch, das kann man nicht anders sagen. Und was er
an der Position da oben im Management zu suchen hat, das weiß kein Mensch. Wir
jedenfalls halten ihn für in höchstem Maße inkompetent. Aber du weißt ja, wie
das läuft, Maarten. Naumann hat seine Karriere in der Politik gemacht, wurde
dann mit Pauken und Trompeten von den Wählern nach Hause geschickt. Tja, und da
war er dann übrig. Allerdings war er wohl maßgeblich daran beteiligt gewesen,
dass sich die N.S.OffshorePower Ltd. hier zu Vorzugskonditionen
ansiedeln konnte. Dass er dann diesen Posten im Vorstand bekommen hat, hat mit
diesem Deal natürlich nichts zu tun, behauptet er rundweg immer wieder. Jeder
weiß natürlich, dass es anders ist. Aber was willste machen. So läuft’s. Das
wird in Amerika nicht anders sein als hier.“
„Womöglich schlimmer“, nickte
Maarten. „Solche Fälle kenne ich zuhauf. An der Spitze großer Konzerne findet
sich häufig die geballte fachliche Inkompetenz. Aber Strippen ziehen, das
können die. Und darauf scheint es ja letztlich anzukommen.“
„Strippen ziehen?“ Tomke verzog
den Mund und ihre Stimme wurde laut. „Intrigen spinnen, meinst du wohl. Und auf
die gemeinste Art Menschen ausbeuten und schikanieren, die nichts anderes
wollen, als ihren Job gut zu machen und ihre Familie zu ernähren.“
„Klingt bitter.“
„Es ist bitter, Absolut
bitter. Ein Kollege von mir ist darüber schwer krank geworden.“
„Hauke. Ja, ich weiß.“
Tomke sah ihn prüfend an, dann
ging ihr ein Licht auf. „Klar, du kennst Hauke ja. Hatte kurz vergessen, dass
du ja schon damals zu uns gehörtest.“ Sie lachte kurz ihr so typisches Lachen,
wurde dann aber gleich wieder ernst. „Ja, Hauke hat es wirklich schlimm
erwischt.“
„Er meint wohl, dass es bei
seiner Krankheit nicht mit rechten Dingen zugeht“, wagte Maarten sich vor. „Er
glaubt, dass er womöglich ...“
„... vergiftet wurde“, beendete
Tomke für ihn den Satz und seufzte. „Ja, das sagt er. Aber ich weiß nicht ...“
„Ich habe ihn im Krankenhaus
besucht. Er ist jetzt auf der Intensivstation.“
„Ja, ich weiß. Ich habe Kontakt
zu Sonja, seiner Frau. Sie hält mich auf dem Laufenden.“
Für eine Weile saßen Maarten und
Tomke in Gedanken versunken in ihren gepolsterten Gartenstühlen und schauten
auf den Ems-Jade-Kanal, wo gerade ein paar kleinere Boote vor der
Kesselschleuse aufgereiht darauf warteten, in die Schleuse einfahren zu können.
„Wiebke heiratet in zwei Tagen“,
sagte Maarten schließlich.
„Ja, ich bin eingeladen“, nickte
Tomke und nun lächelte sie auch wieder. „Ich freu mich drauf. Wird sicherlich
ein Riesenspaß.“
„Ja, scheint `ne große Party zu
werden“, bestätigte Maarten und zog spöttisch seinen rechten Mundwinkel nach
oben. „Habe noch niemanden getroffen, der nicht eingeladen ist.“
„Ach, weißt du, Wiebke, Swaantje
und ich haben vor ein paar Wochen zusammengesessen und versucht, die Gästeliste
zusammenzustreichen. Es ist beim kläglichen Versuch geblieben. Wiebke wollte
auf keinen verzichten. Aber das ist ja auch in Ordnung so. Schließlich heiratet
sie nur einmal. Hm. Zumindest ihren Daniel“, fügte sie dann lachend hinzu.
„Und du? Bist du verheiratet?“
Maarten schaute Tomke an und wunderte sich, warum sein Herz plötzlich schneller
anfing zu klopfen.
„Nein“, schüttelte Tomke den
Kopf, „nicht mehr. Ich habe vor ein paar Jahren einen Versuch gestartet, mit
einem Studienkollegen. Aber es hat nur zwei Jahre gehalten, dann haben sich
unsere Wege wieder getrennt.“
„Woran lag’s?“
„Er kam aus Darmstadt und hat
sich da, hinter meinem
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