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Windbruch

Windbruch

Titel: Windbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Bergsma
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vergessen, dass er sich Sorgen um Tomke machte, als
plötzlich das Telefon klingelte.
    „Wer mach das wohl sein um diese
Zeit“, sagte seine Mutter kopfschüttelnd und warf einen Blick auf die Wanduhr,
„is ja schon zehn Uhr durch.“ Sie erhob sich schwerfällig von ihrem Stuhl und
ging in den Flur. Maarten bemerkte stirnrunzelnd, dass seine Eltern noch immer
kein schnurloses Telefon hatten und nahm sich vor, ihnen in den kommenden Tagen
eines zu besorgen. Dann mussten sie auch nicht immer aufstehen, wenn es
klingelte.
    Als seine Mutter wieder in die
Küche kam, sah sie ihren Sohn mit einem so seltsamen Blick an, dass Maarten
sofort ein kalter Schauer über den Rücken lief. „Is was, Mudder?“, fragte er lauernd.
    „Das war Swaantje. Sie sacht, wir
sollen mal das Radio anmachen. Muss wohl irgendwas passiert sein, draußen aufer
Nordsee. Vermutet man wenigstens, sacht sie.“
    Maarten
erbleichte und sprang auf. Nervös nestelte er an dem uralten Radio seiner
Eltern herum und versuchte, einen Sender zu finden, der bei diesem Wetter nicht
gestört war. „Lass mich mal machen“, sagte sein Vater, als es ihm nicht gelingen
wollte und er fluchend mit der Hand auf das Gerät schlug, „ich weiß, wo wir was
finden.“
    „... ging
bei der Küstenwache ein Notruf ein ...“, hörten sie es nur wenig später aus
dem Äther sprechen. „So wie es derzeit aussieht, hat es wohl durch den
Orkan, der zurzeit über der Nordsee tobt, einen Zwischenfall auf einer Bauplattform
der N.S.OffshorePower Ltd. vor der Küste von Borkum gegeben. Genaueres ist
nicht bekannt, da der Kontakt bereits nach wenigen Sekunden abbrach. Man weiß
lediglich, dass sich rund zwanzig Personen auf der Plattform befinden. Ob ihnen
etwas zugestoßen ist, konnte noch nicht festgestellt werden. Wir halten Sie,
liebe Hörerinnen und Hörer, auf dem Laufenden und werden Sie selbstverständlich
sofort unterrichten, wenn wir Neues erfahren ... ah, ich höre gerade, dass sich
wohl im ostfriesischen Greetsiel die Menschen am Hafen versammelt haben und
eine Rettungsaktion auf die Beine stellen wollen, um die betroffenen Personen
von der Plattform zu evakuieren. Wie das allerdings bei dieser Wetterlage
gelingen kann, ist noch nicht klar. Wir melden uns wieder, wenn wir Näheres
wissen. Und nun ...“
    „Ich fahr nach Greetsiel!“, rief
Maarten, der nun kreidebleich im Gesicht war. Er rannte hinaus und zog sich mit
zitternden Händen den gefütterten Ostfriesennerz seines Vaters über.
    „Aber, Maarten, das hat doch
keinen Zweck“, rief seine Mutter ihm aufgeregt zu, „du kannst da doch gar
nichts ausrichten bei diesem Wetter!“
    „Ich kann hier auch nicht sitzen
und Däumchen drehen“, rief Maarten zurück und seine Stimme überschlug sich.
„ich muss irgendwas tun, Mudder!“ Damit war er zur Haustür hinaus.

31
    Ihr war so kalt. Bibbernd und mit
den Zähnen klappernd klammerte sich Tomke an einer Eisenstange fest. Sie konnte
sich nicht mehr genau erinnern, wie sie an diese Stelle gekommen war. Sie
erinnerte sich nur daran, dass starke Arme sie über den Boden geschleift
hatten. Aber immer wieder hatte sie zwischendurch das Bewusstsein verloren.
Irgendetwas hatte sie wohl am Kopf getroffen, als die eisig kalte Welle über
sie hinüberschwappte. In diesem Moment war sie davon überzeugt gewesen, sterben
zu müssen. Aber augenscheinlich hatte sie doch überlebt, was sie nicht zuletzt
daran merkte, dass ihr jeder einzelne Knochen wehtat und sie bei jeder Bewegung
meinte, in Stücke gerissen zu werden.
    Wo waren nur all die anderen,
dachte sie verzweifelt. Sie konnten doch nicht alle weg sein. Kein einziges
Licht brannte mehr auf der Plattform, es musste einen totalen Stromausfall
gegeben haben. Tomke versuchte sich zu orientieren, aber es war zwecklos. Sie
konnte nichts sehen. Es war stockdunkel. Und das einzige, was sie hörte, war
der brausende Orkan, gegen den sie sich mit allen ihr noch zur Verfügung
stehenden Kräften zu erwehren versuchte, und die tosende See, deren Wellen
immer wieder krachend auf die Plattform schlugen und auch sie in unregelmäßigen
Abständen überspülten. Vermutlich wäre sie schon längst von den Tiefen der
wütenden Nordsee verschlungen worden, würde sie nicht in einer Art Käfig
sitzen, der sich um sie herum wand. Zumindest hatte sie an drei Seiten um sich
herum Gitterstäbe ertastet. Deshalb vermutete sie, in einer der kleinen
Ausbuchtungen zu sitzen, die in die Außenbrüstung der Plattform eingelassen
waren und in

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