Windbruch
sich ein, er
käme aus der dummen Sache noch irgendwie raus.“
Maarten schloss die Augen und
atmete tief durch. Jetzt keinen Fehler machen, Maarten, bleib ganz ruhig, sagte
er zu sich selbst. „Dumme Sache?“, stieß er dann gepresst hervor, „Sie nennen
das, was gestern passiert ist, eine dumme Sache?“ Rhein zuckte die Schultern
und schob sich eine Scheibe der Mandarine in den Mund. „Kann uns maximal ein
wenig Entschädigung kosten. Wenn überhaupt. Ich denke, dass die Versicherung da
keinen Ärger machen wird. Und wenn, dann hab ich die schnell im Griff. Dann
noch ein Bauernopfer“, fügte er mit einem spöttischen Blick auf Naumann hinzu,
„und alles ist im Lot.“
Für einen kurzen Moment war
Maarten sprachlos und starrte Rhein nur mit offenem Mund an. Diesen Augenblick
nutzte Naumann, um sich wieder in Position zu bringen. Erregt griff er nach
Maartens Ärmel und stieß mit hervorquellenden Augen hervor: „Bitte, Herr Dr.
Sieverts, lassen Sie uns in Ruhe über alles reden. Ich möchte nicht, dass jetzt
voreilig gehandelt wird. In einer Viertelstunde ist die Pressekonferenz, und
ich möchte Sie bitten, nein, ich flehe Sie an, nichts von unserem Gespräch
gestern verlauten zu lassen. Es ... Sie werden es auch nicht bereuen.“
Angeekelt stieß Maarten Naumanns
Arm von sich und wollte gerade explodieren, als Annemarie ihren Kopf zur Tür
herein schob. „Herr Naumann“, näselte sie und schnäuzte sich theatralisch ins
Taschentuch, „der Oberbürgermeister wäre jetzt da und möchte vor der
Pressekonferenz noch mit Ihnen sprechen. Ach, wissen Sie“, fügte sie dann
schniefend an Maarten gewandt hinzu, „es ist alles so schrecklich, finden Sie
nicht, Herr Dr. Sieverts? Wirklich, ganz, ganz, schrecklich.“
Maarten glaubte, sich im falschen
Film zu bewegen, verkniff sich aber eine Bemerkung, weil soeben der
Oberbürgermeister mit hochrotem Kopf den Raum betrat und schnurstracks auf
Naumann zuging, der sich soeben mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn
wischte. Geschäftig streckte Naumann dem Stadtchef die Hand entgegen, der aber
ignorierte sie. „Was auch immer da draußen passiert ist“, schoss er polternd
los, „wir sind uns sicherlich einig, dass das eine nicht wieder gutzumachende
Katastrophe ist. So wie es derzeit aussieht, sind bei dem Sturm letzte Nacht
deutlich mehr als zehn Menschen ums Leben gekommen. Soeben habe ich vernommen,
dass eine weitere Frau im Krankenhaus verstorben ist. Ich ...“
„Wer?“, schrie Maarten schrill
dazwischen, „wer ist im Krankenhaus verstorben?“
„Was?“, fragte der
Oberbürgermeister zurück und starrte Maarten verdattert an.
„Ich will wissen, wer soeben
verstorben ist!“, schrie Maarten und seine Stimme überschlug sich.
„Ähm, junger Mann, tut mir leid,
aber ... mir wurde kein Name genannt“, stammelte der Politiker. „Darf ich
fragen, wer Sie ...“ Aber noch ehe er seinen Satz beendet hatte, war Maarten
schon zur Tür hinaus geschossen und griff zum Handy. Hektisch drückte er
Swaantjes Nummer und atmete erleichtert auf, als sie sofort dranging.
„Swaantje“, rief er panisch, „hast du was von Tomke gehört? Ich meine, der Oberbürgermeister
sagte gerade, im Krankenhaus sei eine weitere Frau ...“ Ihm versagte die
Stimme.
„Bleib ruhig, Maarten“, sagte
seine Schwester beschwörend, „mit Tomke ist alles in Ordnung. Meine Freundin
rief mich gerade an und sagte, dass eine junge Praktikantin ihren Verletzungen
erlegen ist. Eine siebzehnjährige Schülerin, die bei der N.S.OffshorePower
Ltd. ihr Schulpraktikum absolviert hat.“
„Oh mein Gott“, keuchte Maarten,
„wie furchtbar. Es ist ein Alptraum, Swaantje, ein absoluter Alptraum.“
„Das ist es, Maarten“, sagte
seine Schwester leise und legte auf.
Maarten sah, dass die Herren nun
aus dem Büro heraustraten, offensichtlich, um zur Pressekonferenz zu gehen. Naumann
redete heftig gestikulierend auf den Oberbürgermeister ein, der aber machte nur
eine wegwerfende Handbewegung und sah sichtlich angefressen aus. Hayo Rhein
schlenderte in seinem gewohnt schlurfenden Gang hinter den beiden Herren her
und warf im Vorbeigehen wortlos die Schale einer weiteren Mandarine auf
Annemaries Schreibtisch. Dann drehte er sich noch mal zur Sekretärin um und
sagte: „Ich hoffe, dass wir da in einer halben Stunde durch sind. Ansonsten verlegen
Sie meinen Termin im Golfclub. Aber auf keinen Fall absagen. Sonst geht mir ein
wichtiger Deal durch die Lappen.“
Maarten
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