Windbruch
nichts, dir nichts verlassen konnten.
Also machte er mit Sonja einen festen Termin in den nächsten Tagen aus, wo die
Kinder dann rechtzeitig vom Kindergarten abgemeldet und ihn in die Firma
begleiten würden. Zufrieden, dass er den Jungs in ihrem Kummer eine kleine
Freude würde machen können, fuhr er ins Büro.
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Ostfriesenzeitung vom 23.
November
Verätzte
Leiche am Strand von Spiekeroog angespült – Fischsterben nimmt bedrohliche Ausmaße
an – Offizielle Trauerfeier am Samstag in Emden
(Spiekeroog/Emden) Nach dem
Leichenfund von Juist (die OZ berichtete) wurde am gestrigen Abend am
Nordstrand von Spiekeroog eine weitere Leiche angespült. Der Staatsanwaltschaft
zufolge handelt es sich bei der Toten um eine 37jährige Frau, die seit der
Katastrophe auf der Windplattform der N.S.OffshorePower Ltd. als vermisst galt.
Kopfzerbrechen bereitet der Polizei die Tatsache, dass der Körper der Frau
schwere Verätzungen aufweist. Unter anderem sei ihr Gesicht zu Teilen bis auf
die Knochen weggeätzt gewesen, was eine Identifizierung der Leiche zunächst
erschwert habe. Eine Obduktion müsse nun zeigen, ob die dreifache Mutter an den
Verätzungen oder an einer anderen Todesursache gestorben sei. Auch würde
ermittelt, wie es zu den schweren Verätzungen habe kommen können, würden auf
einer solchen Bauplattform doch in der Regel keine Giftstoffe irgendwelcher Art
gelagert.
Für einen Eintrag von Chemikalien
in die Nordsee spräche hingegen die Tatsache, dass erneut tausende tote Fische
an den Inselstränden und auch in den Netzen der Fischer gefunden wurden. Im
Gegensatz zu den toten Fischen, die in den letzten Monaten für Unruhe nicht nur
unter den Fischern sorgten, weisen die neuerlichen Fischfunde – ebenso wie die
auf Spiekeroog angespülte Leiche – gravierende Verätzungen auf. Ob diese auf
dieselbe Ursache zurückzuführen sind, müsse erst noch im Labor untersucht
werden, hieß es aus der Staatsanwaltschaft.
Auch wenn jetzt nicht der
Zeitpunkt ist, Panik zu schüren, so stellt sich nun doch die Frage, ob das
monatelange Fischsterben in der Nordsee womöglich auf einen Umweltskandal zurückzuführen
ist. Tappten die Behörden bisher noch im Dunkeln, so haben sie mit den neuesten
Vorkommnissen zumindest einen konkreten Hinweis in der Hand, dass es in der
Nordsee – und damit womöglich auch im Nationalpark Wattenmeer – offensichtlich
Verunreinigungen gibt, die auf keinen Fall, wie in den heißen Sommermonaten zunächst
angenommen, natürlichen Ursprungs sein können.
Unterdessen hat die Stadt
Emden bekannt gegeben, dass die öffentliche Trauerfeier für die Opfer des
Unglücks vor Borkum am kommenden Samstag in der Neuen Kirche zu Emden
stattfinden wird. Zu der Trauerfeier erwartet wird auch der niedersächsische
Innenminister Ralf Hünemann.
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Hauptkommissar David Büttner war
sich sicher, dass er solch einen schrecklichen Anblick noch niemals hatte ertragen
müssen. Dabei hatte er als junger Mann für mehrere Jahre als Rettungssanitäter
gearbeitet, vor allem bei Verkehrsunfällen absolut traumatische Erlebnisse
gehabt und den ein oder anderen Verkehrstoten in Einzelteilen wieder auflesen
müssen. Und auch in seiner Zeit als Hauptkommissar hatte ihn das ein oder
andere übel zugerichtete Mordopfer noch wochenlang in Alpträumen verfolgt.
Beim Anblick des von zahlreichen
Verätzungen gezeichneten Körpers der auf Spiekeroog angespülten Frau aber
drehte sich ihm erstmals der Magen um, und er musste den Obduktionssaal für ein
paar Minuten verlassen. Kreidebleich stand er in der Herrentoilette der
Pathologie vor dem Waschbecken und schlug sich immer wieder eiskaltes Wasser
ins Gesicht. „Puh“, sagte er zu seinem Spiegelbild, als er sich wieder
aufgerichtet hatte und sein Gesicht abtrocknete, „für diesen Job wirst du so
langsam wohl doch zu alt.“ Schon häufiger hatte er überlegt, seinen Dienst zu
quittieren und zukünftig den Papa ante portas zu machen. Aber leider
würde er mit seinen 57 Jahren so hohe Abstriche bei der Pension hinnehmen müssen,
dass er sich die Raten für das unter zahlreichen Entbehrungen errichtete
Eigenheim dann nicht mehr würde leisten können.
„Ich hoffe, wir können unser
Gespräch auch weiterführen, ohne dabei den wenig erfreulichen Anblick der armen
Toten genießen zu müssen?“, rief er durch die angelehnte Tür des mit hellgrünen
Kacheln gefliesten Obduktionssaales, bevor er sie aufstieß. Zu seiner Erleichterung
hatte der Pathologe den Leichnam
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