Windbruch
sich
abwechselnd mit Tomkes Eltern und ihren Brüdern. Falls doch mal Lücken
entstanden, hatte sich Franziska gerne bereit erklärt einzuspringen. An diesem
Tag war Maarten vor der Arbeit da und blieb etwa eine Stunde. Danach wollte
Tomkes Bruder Keno ihn ablösen, der bei VW im Schichtdienst arbeitete und in
dieser Woche im Spätdienst war.
Immer wieder schaute Maarten auch
bei Georg Hufschmidt rein, der inzwischen deutlich längere Wachphasen als Tomke,
aber dennoch noch erhebliche Probleme mit der Orientierung hatte. Häufig
schaute er mit weit aufgerissenen Augen um sich und schien vor irgendwas Angst
zu haben. Von einem Moment auf den anderen aber konnte es passieren, dass er
seine Besucher plötzlich mit Namen ansprach und minutenlang einen völlig
sortierten Eindruck machte. Maarten hatte es bisher vermieden, ihm gegenüber
noch einmal Tomkes Namen zu erwähnen, der ihn beim letzten Mal so in Aufruhr
versetzt hatte. Was auch immer Hufschmidt auf der Plattform womöglich
beobachtet hatte, es würde wohl noch ein wenig dauern, bis man ihn dahingehend
ausführlich befragen konnte. Sehr zum Bedauern von Hauptkommissar Büttner, der
in Hufschmidt all seine Hoffnung setzte, den mysteriösen Todesfall bald
aufklären zu können.
Keno kam pünktlich und löste
Maarten bei seiner Sitzwache ab. Maarten rief, als er draußen war, Franziska im
Büro an und teilte ihr mit, dass er noch bei Hauptkommissar Büttner vorbeifahren
und sich nach Neuigkeiten erkundigen würde. „Den Weg kannst du dir schenken“,
erwiderte Franziska und in ihrer Stimme schwang ein befriedigter Unterton mit.
„Büttner ist beschäftigt, er hat nämlich gleich heute Morgen Naumann zum Verhör
abholen lassen. Man munkelt, das Aktenstudium habe einige Hinweise ergeben, die
einer Erklärung Naumanns bedürften. Tja“, fügte sie bedeutungsvoll hinzu,
„Büttner hat wohl gleich jemanden von der Wirtschaftskriminalität hinzugezogen.
Ich würde sagen, es sieht gar nicht so gut aus für den Herren.“
„Und von Rhein wollen sie noch
nichts?“, brummte Maarten. Für ihn war der zweite Vorstand ein viel
gefährlicheres Kaliber als Naumann. Nach längeren Überlegungen hielt er
Letzteren eher für einen armseligen und naiven Mitläufer, der nicht begriff,
wie er zum Zwecke irgendwelcher niederer wirtschaftlicher Interessen
missbraucht wurde – und sich dabei auch noch ungeheuer wichtig vorkam.
Nichtsdestotrotz wünschte sich Maarten, Naumann sprichwörtlich am Galgen zu
sehen. Dummheit durfte schließlich nicht vor Strafe schützen; und immerhin war
Naumann es ja auch, der letztlich den Tod von mehr als zehn Menschen zu verantworten
hatte.
„Nein“, antwortete Franziska,
„Rhein sitzt hier in seinem Büro und grinst mit irrem Gesichtsausdruck vor sich
hin. Vermutlich sieht er sich schon als absolutistischen Alleinherrscher auf
einem vergoldeten Thron sitzen. Also, wenn du mich fragst, dann hat der das
alles ganz clever eingefädelt und die anderen die Drecksarbeit machen lassen.
Denn er ist zwar irre, aber nicht blöd.“
„Das fürchte ich auch“, seufzte
Maarten. „Aber den kriegen wir, verlass dich drauf. Als ich Rautschek vor
einiger Zeit fragte, was Rhein denn eigentlich so für ein Mensch sei, da meinte
er, er gehöre zu den Typen, die gerne mit den großen Hunden pinkeln würden,
aber ihr Beinchen nicht richtig hoch bekämen. Und solche Kerle machen über kurz
oder lang immer einen Fehler, eben weil sie an einem hohen Maß an
Selbstüberschätzung leiden.“ Er zögerte kurz, dann fügte er nachdenklich hinzu:
„Hm, vielleicht sollten wir einen Köder auslegen, der ihn in die Falle tappen
lässt. Noch weiß ich nicht, wie wir ihn kriegen können, aber da fällt mir schon
noch was ein.“
„Kommst du dann jetzt direkt ins
Büro, bevor du zu Inspektor Columbo mutierst?“, fragte Franziska. „Hier sind
noch einige Sachen, die du unterschreiben müsstest.“
„Hm. Ja, dann komme ich jetzt ...
ach, nee, warte mal, ich hatte Nicolas und Tilman versprochen, sie mal mitzunehmen.
Nicolas wollte sich so gerne mal die Werkshallen anschauen. Ich glaube, er
wandelt derzeit auf den Spuren seines Vaters, um die Trauer irgendwie zu verarbeiten.
Ich rufe jetzt mal bei Sonja an und frage, ob ich die Jungs abholen kann.“
Maarten legte auf und wählte
gleich darauf Sonjas Nummer. Was er als allein stehender Mann natürlich nicht
bedacht hatte, war, dass sich die Kinder zu dieser Zeit im Kindergarten
aufhielten und diesen auch nicht so mir
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