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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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flüsterte er. »Druffle darf nicht misstrauisch werden. Wir müssen flüchten.«
    »Du weißt, was es heißt, richtig?«
    »Oh ja«, sagte Pazel. »Es ist ihre Sprache, die Sprache der Ixchel. Und die Botschaft ist ganz einfach: ›Sag Pazel Pathkendle, er muss nach Simja kommen. Sie wollen die Junge Braut ermorden.‹«
     
    *     *     *
     
    Gegen Mittag flaute der Wind ein wenig ab. Druffle kam mit seinem Aal, der stundenlang im Kombüsenofen geschmort hatte und jetzt kohlschwarz war, aufs Oberdeck und zerteilte ihn mit einer Axt. Innen war das Fleisch rosig und zart. Druffle warf jedem Jungen eine Aalschnitte zu, an der ein Bär erstickt wäre, und sie fielen auch wie die Bären darüber her und vergaßen über dem Hunger ihre Angst. Nur der seekranke Junge verzichtete.
    »Schön die Gräten abnagen!«, lachte Druffle. »Für unseren kleinen Auftrag an der Küste müsst ihr bei Kräften sein!«
    »Was ist das für eine Küste, Mr. Druffle?«, fragte Pazel.
    »Abwarten, mein kleiner Cherester! Und nicht mit vollem Mund reden.«
    Pazel und Neeps lehnten sich mit dem Rücken an das Rettungsboot und kauten behaglich. Mit vollem Magen schien eine Flucht – wenn auch nur unwesentlich – eher im Bereich des Möglichen zu liegen. Sie betrachteten die lärmende Nelu Peren, diese Alles-andere-als-stille-See. Steuerbords lagen Berge wie dunkle Schatten. Das musste das Festland sein, nur zwei bis drei Meilen entfernt, aber so unerreichbar wie der Mond.
    »Solange das Wetter so bleibt, gehen wir nirgendwo hin«, sagte Neeps.
    Pazel nickte. »Und es wird wieder schlechter, spürst du es auch?«
    »Oh ja«, sagte Neeps. »Schlechter denn je, würde ich sagen. Womöglich braut sich sogar ein richtiger Sturm zusammen.«
    »Die zweite Frage«, fuhr Pazel fort, »ist die, wohin wir flüchten sollen. Mit Sicherheit wissen wir nur, dass Tascha von der Chathrand nach Simja gebracht wird.«
    »Wir fahren nach Westen«, sagte Neeps. »Die Berge könnten also zu Ipulien gehören. Aber ich dachte, Ipulien sei ein Land der Seen – schließlich nennt man es das ›Blaue Reich‹.«
    »Vielleicht gibt es dort auch Berge«, mutmaßte Pazel. »Oder wir befinden uns bereits westlich von Ipulien, dann gehört diese Kette zum Trutzbund von Chereste. Das ist Ormael, Neeps. Meine Heimat – oder was davon noch übrig ist.«
    »Sagtest du nicht, Ormael wäre nur eine Tagereise von Simja entfernt?«
    »Sogar noch weniger«, sagte Pazel. »Aber selbst wenn wir in Ormael landen und es irgendwie schaffen, diesen Irren zu entkommen, wer soll uns über die Meerenge von Simja bringen? Wir sind keine Teerjungen mehr. Simja mag außerhalb des arqualischen Reiches liegen, aber das Seefahrtsgesetz gilt auch dort. Wie in allen Herrenlosen Landen.«
    »Aber in Ormael weiß doch niemand, dass wir keine Teerjungen mehr sind?«
    »Meinst du? Wie ich Uskins kenne, geht er schnurstracks zum Reichsjungenregister. Wahrscheinlich stehen wir schon auf der schwarzen Liste.«
    »Dieses Stinktier!«, ereiferte sich Neeps. »Ich wünschte, die Augrongs hätten ihn gefressen.«
    Bald frischte der Wind auf. Sie unterhielten sich noch eine Weile, doch dann wurden auch die Wellen höher und besprühten ihr kleines Versteck in regelmäßigen Abständen mit Gischt. Die anderen Jungen hatten sich, möglichst weit von den Seiten entfernt, aneinandergekauert und machten ängstliche Gesichter.
    Als es dunkel wurde, kettete Druffle sie an die Nagelbank. Die Jungen verlangten selbst nach der Kette, denn inzwischen wurde der Bug ständig von den Wellen überspült, und die Gefahr, über Bord gerissen zu werden, war groß. Pazel und Neeps verweigerten die Kette (sie barg Fährnisse anderer Art), aber sie hakten sich im Windschatten des Vordecks bei den anderen Jungen unter. In stetem Auf und Ab pflügte sich das Schiff in wahnwitziger Geschwindigkeit weiter nach Westen.
    Bald war jedes Gespräch unmöglich geworden. Nass und durchfroren sahen sie zu, wie die Besatzung gegen den Sturm kämpfte. Pazel klapperte mit den Zähnen, seine Füße färbten sich bläulich. Dennoch fiel er irgendwann in einen unruhigen Schlaf. Er träumte, er wäre selbst ein Aal und schwämme mit großer Geschwindigkeit um einen weißen Turm herum, der vom Meeresboden aufragte, die Wellen durchstieß und hoch in den Himmel strebte. Auf allen Seiten flitzten Fische mit leuchtenden Körpern, purpurroten Edelsteinaugen und dolchspitzen Zähnen vorbei. Der Turm hatte unter Wasser Fenster und sogar eine

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