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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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denn sein Ruf? Pah, ihr beleidigt mich.«
    Zu guter Letzt fasste er die Jungen ins Auge. »Ihr seid sicherlich erstaunt über meine Fähigkeiten, ihr Burschen. Wie ich es schaffe, diese alte Moschusratte Mores zu lehren? Nun, ich entstamme einer Magiersippe. Mein Vater war ein großer Zauberer, das, was man einen Daumaturgen nennt, denn er brauchte nur einen Finger für seine Magie. Meine Onkel waren Meereszauberer im Dienst der Vizekönige von Bekturium. Und meine eigene Mutter hatte Flussmagierblut in den Adern. Ihr seht also, es empfiehlt sich nicht, mir in die Quere zu kommen. Es könnte passieren, dass ich euch zu Brei zerquetsche, obwohl ich es gar nicht will.«
    Er musterte sie vergnügt. Niemand wusste, was er sagen sollte.
    Pazel dachte nur: Gregorys Gilde?
    Im Licht des Morgens zeigte sich das ganze Ausmaß der Verwüstungen. Das Schiff war ein Trümmerfeld. Vom Bug bis zum Heck überzog ein Gewirr aus Tauwerk und zerfetzten Segeln das Deck. Quer darüber lag der gebrochene Fockmast. Die Großmarsrah, ein vierzig Fuß langer Holzbalken, hatte sich durch das Achterdeck gebohrt und das Bett des Kapitäns in zwei gleiche Teile zerschlagen.
    Aber sie hielten immer noch Kurs nach Westen. Zwei Treisegel hatten die Nacht überstanden und schafften es mit Mühe, das schwimmende Wrack in Bewegung zu halten. Es war ein warmer, sonniger Morgen. Neeps schlief wie ein Stein. Aber Pazel war von einer seltsamen Erregung erfüllt. Auf zerschundenen Knien und seilverbrannten Händen kroch er zum Steuerbordbug. Dort bot sich ihm ein Bild aus seinen Träumen.
    Sandsteinfelsen, oben mit saftigen Wiesen bedeckt, darunter schroffe schwarze Felsen, an denen sich die Brandung brach. Ein bleistiftdünner Wasserfall, vom Wind zerstäubt, bevor er die Wellen erreichte.
    »Ormael!« Er sprang auf, aller Schmerz, alles Leid war vergessen. »Ormael! Ormael!«
    Er hätte noch fünf Meilen lang weitergebrüllt, hätte ihn nicht eine Hand am Arm gepackt und zu Boden gerissen. Die Hand gehörte Druffle.
    »Runter mit dir, du hirnloser Schreihals! Willst du die ganze Küste aufwecken?«
    »Aber hier lebt doch niemand, Mr. Druffle!«
    »Das weiß ich. Die Quarrel-Klippe taugt zu gar nichts.«
    »Sie ist ein guter Ort zum Drachenfliegen, Mr. Druffle! Und mein Vater sagt, man kann sich von hier aus unbemerkt der Stadt nähern. Segeln wir deshalb so dicht an der Küste, Mr. Druffle?«
    »He, he.«
    »Mr. Druffle, was ist Gregorys Gilde?«
    »Du bist Ormalier. Du musst doch von Kapitän Gregory Pathkendle gehört haben.«
    Pazels Herz machte einen Satz. Und im gleichen Augenblick fiel ihm ein, dass Druffle ihn nie nach seinem Namen gefragt hatte.
    Bevor er die Sprache wiederfand, rief einer von den anderen Jungen: »Pathkendle der Verräter.«
    Pazel fuhr herum und ballte die Fäuste. Druffle zog eine Augenbraue hoch.
    »Immer mit der Ruhe«, sagte er. »Das geht uns nichts an. Niemand weiß genau, warum er sich mit den Mizzis eingelassen hat. Und er ist ja auch nicht bei ihnen geblieben, nicht wahr? Hat unter uns Freibeutern bessere Kameraden gefunden, und das war wahrhaftig ein Glückstag für uns. Für uns war Kapitän Gregory ein Fürst. Und die alte Schlangenzunge da drüben lügt. Mit solchem Abschaum wie ihm hat sich Gregory nie abgegeben.«
    Freibeuter waren Schmuggler, so viel wusste Pazel. »Gehören Sie auch zu Gregorys Gilde, Mr. Druffle?«
    »Du stellst wirklich eine Menge Fragen.«
    »Vielen Dank, Sir! Ist Kapitän Gregory noch am Leben?«
    Aber Druffle drohte ihm nur mit dem Finger, ohne wirklich böse zu sein, und wandte sich ab.
     
    *     *     *
     
    Sie krochen näher an Ormael heran. Vor Pazels Augen wurde die Quarrel-Klippe von den vier namentlich bekannten Felsen (dem Ofenrohr, dem Alten Mann, der Mönchskapuze und dem Hund) abgelöst. Auf einer hochgelegenen Wiese, wo er einmal mit seiner Mutter und Neda gepicknickt hatte, grasten Ziegen. Die grünen Klumpen dazwischen mussten die Kronen der höchsten Pflaumenbäume sein. Mein Vater ist nicht beim Feind, dachte er. Er ist Schmuggler. Ist er Schmuggler? Oder war er Schmuggler? Dann umfuhr das Schiff die Landspitze, und vor ihm lag Ormael.
    Doch es war nicht mehr die Stadt, wie er sie kannte. Die stolze Mauer lag zur Hälfte in Trümmern, und wenn er nach oben schaute, konnte er – was auf Meereshöhe nie hätte möglich sein dürfen – genau in die Straßen schauen, wo er noch vor fünf Jahren gedankenlos und unbeschwert herumgelaufen war. Jetzt sahen sie wie

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