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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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»Könntest du bis zur Chathrand schwimmen?«
    Jetzt war es Neeps, der erschrak. »Ich denke schon«, sagte er. »Aber es ist heller Tag! Und der Wind ist so schwach, man würde uns springen hören. Außerdem hat Druffle ein Auge auf dich. Sieh dich nicht um! Mag sein, dass er nett zu dir ist, weil ihr beide Ormalier seid, aber deshalb geht er noch lange kein Risiko ein.«
    »Wir müssen es wagen!« Pazel fing an, seinen Mantel aufzuknöpfen.
    Neeps packte ihn am Arm. »Das ist kein Wagnis, das ist ein Volpek-Pfeil durch die Schulter. Beruhige dich, Kumpel. Ich kann ja verstehen, dass du nach Hause willst.«
    »Darum geht es doch nicht! Es geht um Tascha!«
    »Wenn du auf dem Meeresgrund liegst, kannst du ihr auch nicht mehr helfen.«
    Empört schüttelte Pazel seine Hand ab. Aber Neeps hatte Recht. Vor unterdrückter Wut bebend, musste er tatenlos zusehen, wie sein Schiff und seine Stadt hinter ihm zurückblieben.
    Gegen Mittag war Ormael vollends außer Sicht, und vom Land waren nur noch die fichtenbewachsenen Hügel von Kap Córistel zu sehen. Es war ein schöner, windstiller Tag. Die Jungen mussten Taue ausbessern, während die Matrosen den verbliebenen Mast schienten und ein vielfach geflicktes Großsegel an den schiefen Spieren festmachten. Das Schiff nahm ein wenig Fahrt auf. Aber der Kapitän lief immer wieder hinunter zu den unteren Decks und schüttelte jedes Mal, wenn er zurückkam, besorgt den Kopf. Druffle bedachte er mit hasserfüllten Blicken, und mehr als einmal hörte man ihn das Wort ›Katastrophe‹ flüstern. Pazel fragte sich, welch neues Unheil sie wohl erwarten mochte.
    Kap Córistel war bekannt dafür, dass es von Ost nach West leicht zu umfahren war, und der heutige Tag bildete (zum Glück) keine Ausnahme. Die große Überraschung war, was dann geschah. Sobald sie die wellenumtoste Landspitze hinter sich hatten, befahl der Kapitän eine Steuerbordhalse. Männer zerrten an dem behelfsmäßigen Segel, und die Rupin neigte sich schwerfällig zur Seite. Sie wollten die Nordküste entlangfahren. Und das war einfach nicht üblich.
    Pazel hatte von seinem Vater viele Geschichten über die Nelu Peren gehört. Und er erinnerte sich ganz genau, dass seit den alten Chereste-Seefahrern niemand mehr von Córistel aus nach Norden segelte. Dort lauerten viele Gefahren: ein Felsenlabyrinth, unberechenbare Strömungen und ein Pestsumpf namens Krebsmoor, der wie eine erstickende Decke über dem Festland lag. Aber eine Gefahr stellte alles andere in den Schatten: die Geisterküste. Pazel wusste nicht genau, was darunter zu verstehen war. Sein Vater hatte nie darüber gesprochen, und auf dem Schulhof gingen so viele verschiedene Gerüchte um, dass es ihm nie gelungen war, sich ein Bild zu machen. Doch in einem Punkt waren sie sich alle einig: Wenn einem Schiff das Unglück beschieden war, in diese Gewässer zu geraten, käme es nie wieder heraus.
    Sogar Neeps hatte von der Geisterküste gehört, obwohl er Ormael noch nie aus der Nähe gesehen hatte. »Das ist unser Ziel?«, rief er, als Pazel es ihm erklärte. »Und du glaubst, Druffle will, dass wir da tauchen?«
    »Nicht Druffle«, verbesserte Pazel. »Sein ›Kunde‹.«
    Neeps sah ihn nur an.
    Pazel hob die Hände zur Stirn. »Ich durchschaue es fast«, sagte er. »Das ganze Spiel, das Lügengespinst. Chadfallow wollte mich aufklären, damals in Sorrophran. Und jetzt … jetzt …«
    »Lass mich doch mal raten«, bat Neeps. »Was hat dein greimiger Arzt denn gesagt?«
    Pazel schloss die Augen. »Er deutete an, die Chathrand führe ins Mzithrin-Gebiet, obwohl sie – offiziell – nicht weiter als bis Simja kommen sollte. Und dann fing er vom letzten Krieg und den fünf Mzithrin-Königen an.«
    »Das war alles?«
    »Er sagte … vier von den Fünf Königen hätten Arqual als Land des Bösen verurteilt. Nur einer hätte geschwiegen: der Schaggat Ness, dessen Schiff …«
    Die Jungen sahen sich an.
    »Von Arqualiern versenkt wurde«, sagte Neeps. »So viel weiß ich auch.«
    »Irgendwo nördlich von Ormael«, zischte Pazel. »Bei Rins sämtlichen Zähnen, Kumpel, das ist unser Ziel! Das Wrack der Lythra! Jemand muss es schließlich doch entdeckt haben!«
    »Aber was hat das mit Tascha zu tun?«
    »Das weiß ich nicht – noch nicht. Aber hier ging der letzte Krieg zu Ende, verstehst du? Mit dem Tod dieses Schaggat.«
    Neeps war etwas bleicher geworden. »Und etwas, das mit diesem Schiff unterging …«
    »… könnte den nächsten Krieg auslösen«, vollendete

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