Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
Vom Netzwerk:
derartige Markt sollte in nur drei Tagen beginnen: bis dahin wollte Tascha bereits weit weg sein. Die Wahl des Zeitpunkts hatte die Mutter Prohibitor sehr empört. Jemand hatte sie im Andachtsraum rufen hören: »Dreihundert Männer warten auf ein Liebestreffen mit ihr, und sie wirft das Handtuch! Was sagen wir zu den neun Bewerbern, bei denen sie ganz oben auf der Liste steht?«
    Neun Bewerber, hatten die Mädchen hinter Taschas Rücken getuschelt. Dabei ist sie erst sechzehn. Erst gestern hatte die Schwester, die Erotischen Tanz unterrichtete (ihre Dienste waren zu dieser Zeit besonders gefragt, und die Erschöpfung hatte ihr fast so etwas wie ein aufrichtiges Geständnis entlockt), erklärt, man brauche nicht reich zu sein, um das Lorg zu besuchen. Die Schule setze auch auf Verdienst – das hieß, auf Schönheit. In Taschas Klasse saßen eine Reihe außergewöhnlich hübscher Mädchen aus bescheidenen Verhältnissen. Keine schlechte Investition für das Pensionat: Was die Familien nicht bezahlen konnten, würden die künftigen Ehemänner über die Vermittlungsgebühren gerne wettmachen.
    Es war ein blühendes Unternehmen. Die Mädchen willigten fast immer ein. Wenn man ihnen erst einmal beigebracht hatte, dass sie nur Verachtung verdienten, erschien ihnen die Heirat mit einem wohlhabenden Fremden wie eine Gnade.
     
    *     *     *
     
    Die Mutter Prohibitor war eine schmächtige alte Frau, die sich flink bewegte; in ihrem roten Umhang erinnerte sie an einen Scharlachibis, der sich in den Becken mit frisch geschlüpften Fischen sein Abendessen suchte. Als Tascha die Tür des Glashauses öffnete, hob sie jäh den Kopf und schwenkte einen tropfenden Kescher.
    »Meine Augen lassen allmählich nach«, sagte sie mit überraschend tiefer Stimme. »Sieh dir die Stachelschwänze an, Kind. Sind sie gelb?«
    Tascha raffte ihren Umhang zusammen und kniete vor dem Becken nieder. »Die meisten haben gelbe Schwänze, Ehrwürdige Mutter. Aber einige haben auch grüne Streifen. Es werden sehr hübsche Fische werden.«
    »Wir müssen sie fangen. Die grünen. Alle. Sofort.«
    Sie reichte ihr den Kescher. Dabei bemerkte Tascha den großen Smaragdring an ihrer weißen Hand. Unter den Mädchen wurde viel über diesen Ring geklatscht: um den kostbaren Stein zogen sich in silberner Schrift die alt-arqualischen Worte DRANUL VED BRIS Ô LJET DORO – ›Wohin du auch gehst, ich folge dir schnell‹. Einige der Mädchen hielten sie für einen Zauberspruch. Für andere waren sie der Leitsatz eines Geheimordens, nicht der Lorg-Schwestern, sondern einer Gilde von Greisinnen, die über die ganze Welt verstreut waren und bis über beide Arme in den Ränken und Intrigen steckten, die ihren Lauf bestimmten. Tascha spürte den Blick der alten Frau auf sich ruhen. Sie nahm ihr den Kescher aus der Hand.
    Das Becken war nicht tief, und Tascha hatte in wenigen Minuten etwa ein Dutzend grünschwänziger Jungfische gefangen und sie einzeln in den Eimer neben der Mutter Prohibitor geworfen.
    »Das werden keine hübschen Fische, Tascha Isiq«, sagte die alte Frau, als das Mädchen fertig war. »Es werden bald gar keine Fische mehr sein. Das Accateo hat sich auf Riesenwelse spezialisiert, das sind die mit den gelben Schwänzen. Sie haben das saftigere Fleisch. Wir erzielen sehr gute Preise dafür, und die Geistheiler von Slugdra nehmen auch gern die Eingeweide ab, um sie für Liebestränke zu verwenden. Da bringt Schwester Catarh deine Straßenkleidung.«
    Tascha schaute rasch auf. Eine Schwester stand in der Tür, stellte ein verschnürtes Bündel ab, verneigte sich und zog sich zurück.
    »Ich möchte dich bitten, dieses schwachsinnige Grinsen zu unterlassen!«, sagte die Mutter Prohibitor. »Steh auf! Du willst also nicht mehr bleiben. Hast du heute Morgen über die tragische Wende in deinem Schicksal meditiert?«
    »Oh ja, Ehrwürdige Mutter.«
    »Das ist natürlich gelogen«, stellte die alte Frau sachlich fest, während sie mit ihrem Stock das Wasser im Becken umrührte. Tascha biss sich auf die Zunge. Es ging die Sage, die Mutter Prohibitor spüre jedes Mal einen Stich in der Seite, wenn ein Mädchen in ihrer Gegenwart log. Tascha hoffte, noch ein paar Mal Gelegenheit dazu zu haben.
    »Versagen«, sagte die Mutter Prohibitor gerade, »kommt nicht von ungefähr. Es überfällt einen nicht in einer schmalen Gasse. Versagen ist wie eine Liebesaffäre in einem dunklen Haus. Man muss sich schon dafür entscheiden.«
    »Ja, Ehrwürdige

Weitere Kostenlose Bücher