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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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beim ersten Blick auf die Fenster das Gesicht verzogen: Deshalb hatte man die beiden Jungen beauftragt, die Messingangeln mit einer Mischung aus Terpentinöl, Unschlitt und Asche zu polieren, bis sie glänzten.
    Leichte Brise, warmer Sonnenschein. Und Stechfliegen, die vom Gestank des Unschlitts angelockt wurden. Um nach ihnen zu schlagen, hätte man das Tau, das Fenster oder die Spiere loslassen müssen. Mit Rücksicht darauf, dass sie sechzig Fuß über dem Wasser hingen, bemühten sich die beiden, einfach nicht auf die Plagegeister zu achten.
    Neeps schüttelte den Kopf. »Sie sind gestorben, als ich drei war. Das Faselfieber, du weißt schon. Auf Sollochstol gab es keine Arznei.«
    Das Große Schiff wurde mit Winschen vom Hafen weggezogen, die Promenade lag bereits eine Viertelmeile hinter ihnen. Kleinere Boote schossen durch das Kielwasser der Chathrand, gaffende Passagiere drängten sich an den Relingen, die ihr am Nächsten waren. Etherhordes feine Gesellschaft war verwirrt und leicht indigniert: So schnell hatte das Große Schiff seit Menschengedenken nicht mehr kehrtgemacht. Kaum drei Tage im Hafen, und nicht einmal eine Besichtigung war gestattet worden! Und was das Benehmen der Friedensbraut und die Wahl ihrer Garderobe anging – darüber schwieg man sich am besten aus.
    »Wer hat dich dann großgezogen?«, wollte Pazel wissen.
    »Die Familie meines Vaters«, antwortete Neeps. »Sie haben ein prächtiges Haus. Zehn Fuß über der Lagune, auf kräftigen Pfählen erbaut.«
    »Du hast in einem Pfahlbau gewohnt!«
    »Es gibt nichts Besseres. Du wirfst vom Küchenfenster aus die Angel aus, hast prompt einen fetten Kupferbarsch am Haken und holst ihn ein. Vom Meer in den Topf, wie meine Onkel zu sagen pflegten. Meine Onkel waren übrigens prima. Sie haben mir das Perlentauchen beigebracht. Und wie man riecht, dass jemand lügt: Wir verkauften unsere Perlen an Händler aus Opalt und von den Quezanen, und die versuchten immer, einen reinzulegen. Aber bei Großmutter Undrabust kamen sie damit an die Falsche. Sie führte nicht nur das Familienunternehmen und den Haushalt, nach ihrer Pfeife tanzte das halbe Dorf. Jeder kannte sie, denn Furcht war ihr fremd. Sie hat die Krokodile mit dem Bootsstaken verjagt. Man sagte ihr nach, sie hätte einmal mit ihrem Fischmesser einen Piraten getötet. Die schlichen sich bei Nacht in unser Dorf, stemmten die Edelsteine von den Tempelwänden und entführten die Jungen. Sogar mich haben sie geschnappt. Hoppla! Aufpassen, Kumpel!«
    Die Plattform kippte jäh. Pazel hatte Neep so gebannt zugehört, dass auch er beinahe das Gleichgewicht verloren hätte. Als sie sich wieder gefasst hatten, starrte er seinen Freund immer noch fassungslos an. »Du bist entführt worden? Von echten Piraten?«
    »Greimig echt. Das Schiff stank wie ein Nachttopf. Aber die Dummköpfe behielten uns nicht lange. Zwei Monate nachdem sie uns gefangen hatten, überfielen sie eine Arqual-Festung auf den Keppery-Inseln. Wenige Tage später hatten uns Kriegsschiffe eingeholt, die Piraten wurden gehängt, und wir wurden alle zu Teerjungen gemacht.«
    »Und deine Familie hast du nie wiedergesehen?«
    Neeps rieb wie wild über eine Fensterangel. »Oh doch, gesehen schon. Nachdem das Reich sich Sollochstol geschnappt hatte. Wir legten für einen Tag an, ich lief davon und besuchte meine Großmutter und meine Onkel. Und meine kleine Schwester: Sie freute sich so, mich zu sehen, dass sie einen ganzen Korb voller Fische fallen ließ. Aber die Arqualier holten mich noch am gleichen Abend zurück. Wenn ich gefragt hätte, sagten sie, dann hätte ich mir meine Freiheit mit Perlen erkaufen können, aber einen Ausreißer könnten sie nicht belohnen. Großmutter Undrabust wollte sich mit ihnen anlegen, aber ich hielt sie zurück. Und inzwischen ist sie auch tot. Tritt die Frau doch auf einen giftigen Seeigel, ist das zu fassen? Ich habe es vergangenes Jahr von einem sollochischen Sklaven erfahren. Der Mann hörte sie lachen, bevor sie starb: ›Zumindest hat mich letztlich einer von den Unseren erwischt. Kein Grund zu trauern!‹«
    »Was ist mit Brüdern?«, fragte Pazel. »Hast du welche?«
    Als Neeps nicht antwortete, schaute Pazel auf und sah zu seiner Überraschung, dass Neeps außer sich war vor Wut.
    »Lass mich bloß mit Brüdern in Ruhe«, sagte er.
    Das heißt ja, dachte Pazel, aber er schwieg.
    Nach einer kurzen Pause sagte Neeps: »Jetzt du. Familie?«
    Pazel erzählte ihm vom Tag der Invasion und dass er seither

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