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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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Saal zu schmettern:
     
    Gleitest königlich über das weite Meer,
    das nasse Grab vieler Helden so hehr,
    du Friedenspalast aus altem Holz,
    wohin segelt deines Landes Stolz?
    Sie antwortet nicht, doch dringt uns ans Ohr
    wie aus einer Muschel gleichsam ein Chor.
    Tausend Stimmen, lebend wie tot,
    rufen es wie ein göttlich’ Gebot:
    »Mit der edlen Chathrand durch Wohl und Weh,
    unter den Sternen über die See!«
     
    »Was für ein Schwulst!«, entfuhr es jemandem, doch der Zwischenruf wurde mit einem Rippenstoß bestraft und ging unter im stürmischen Applaus.
    Auf dem Orlopdeck wurden Suppe und Brot ausgegeben. Die Zwischendeckpassagiere standen in einem engen Kasten von einem Raum Schlange. Bei der Suppe hatte man zumindest am Salz nicht gespart; das Brot war hart, aber frei von Würmern. Beim Essen herrschte andächtiges Schweigen, kein Krümelchen blieb übrig.
    Die Schiffsglocke wurde halbstündlich angeschlagen, die Wache wechselte, Rufe wie ›Kurs halten‹ oder ›Zwei Strich abfallen‹ schallten von Mast zu Mast. Um Mitternacht verließen die letzten Herren den Rauchsalon und gaben ihre Pfeifen und Zündhölzer ab – die Brandgefahr war so groß, dass außerhalb dieses Raumes kein offenes Feuer erlaubt war –, und allmählich begab sich die Chathrand zur Ruhe.
    Erst jetzt trat Sandor Ott aus seiner Kabine. Lautlos schlich er an den Offizierskojen vorbei (Mr. Fiffengurt schnaufte wie eine kalbende Kuh), stieg achtern die Leitertreppe hinauf, überquerte das Hauptdeck und klopfte wenig später leise an die Tür des Kapitäns.
    Die Tür wurde einen Spaltbreit geöffnet, und ein blutunterlaufenes Auge spähte nervös heraus. Swellows, der Bootsmann. Sein Atem stank nach Knoblauch und Rum. Ott mochte den Mann nicht, er war ein Speichellecker, Roses treuester Gefolgsmann und an allen Schwindeleien und Lügen in der Karriere des alten Schurken beteiligt. Swellows trug (wie Ott von seinen Spitzeln erfahren hatte) eine Kette aus Ixchel-Köpfen: fünfzehn bis zwanzig Schädel so groß wie Vögel, durch deren Augenhöhlen eine fettige Schnur gezogen war. Das brachte Glück, sagten einige – aber Ott hielt nichts von Talismanen. Er stemmte sich mit der Schulter gegen die Tür.
    Swellows wich zurück und winselte: »Nicht so laut, Sir, nicht so laut!«
    In Roses Kabine war es dunkel: Schwarze Vorhänge sperrten die Sterne aus. Niemand saß am Schreibtisch oder am Speisetisch; aber an der Backbordwand, so weit wie möglich von der Tür entfernt, drängten sich mehrere Gestalten um einen kleineren Tisch mit einer matten roten Lampe. Swellows winkte, aber Ott wartete nicht, bis man ihn hinführte: Er durchquerte mit vier Schritten die dunkle Kabine und stützte sich mit beiden Händen auf die Lehne des einzigen freien Stuhls.
    Rose musterte ihn von Kopf bis Fuß. »Sie kommen spät, Hauptmann Nagan«, sagte er.
    »Ich denke, hier können Sie mich Ott nennen, Kapitän«, entgegnete der Spitzel. »Es wurden schon Morde begangen, um meinen wahren Namen in Erfahrung zu bringen, und andere Morde, um mir zu helfen, ihn zu verheimlichen. Doch in diesem Raum ist er das geringste der Geheimnisse, die zu wahren wir feierlich schwören müssen.«
    »Trotzdem kommen Sie zu spät.«
    Ott lächelte, ohne eine Erklärung abzugeben. Er streifte die übrigen Anwesenden mit einem Blick: die Hexe Oggosk, feixend und wie immer vor sich hin brabbelnd. Der Erste Maat Uskins, Angstschweiß auf der Stirn, an der Seite des Kapitäns. Daneben ein primitiv aussehender Mensch mit kleinen, harten Augen, das weiße Haar am Hinterkopf zusammengenommen und zu einem Zopf geflochten. Ott kannte ihn gut: Sergeant Drellarek, in Militärkreisen der ›Kehlenschlitzer‹ genannt. Er befehligte die Elitetruppe der Turach-Krieger, die an Bord gegangen war, um das Gold des Kaisers zu bewachen. Drellarek nickte ihm träge zu – wie eine Grubenotter vor dem Zustoßen. Ott erfreute sich an dem Mann wie an einer edlen Klinge, einem gutem Streithammer oder irgendeinem Werkzeug, das sich, vom langen Gebrauch geglättet, in seine Hand schmiegte.
    Noch zwei Personen saßen mit am Tisch: Aken und Thyne. Gepflegte kleine Männer mit weicher Kinderhaut, so unruhig und nervös wie zwei Eichhörnchen. Lose Blätter auf dem Tisch, den Federkiel in der Hand. Sie vertraten die Reederfamilie.
    Ott deutete auf die Federkiele. »Die können Sie gleich weglegen«, befahl er. »Hier wird nicht mitgeschrieben.«
    Aken, der Stillere von den beiden, wickelte seine Feder hastig

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