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Winesburg, Ohio (German Edition)

Winesburg, Ohio (German Edition)

Titel: Winesburg, Ohio (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherwood Anderson
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von zehn Dollar.
    Der alte Edward King war von kleinem Wuchs, und wenn er auf der Straße an Leuten vorbeiging, lachte er seltsam freudlos. Beim Lachen kratzte er sich mit der rechten Hand am linken Ellbogen. Wegen dieser Angewohnheit war der Ärmel seines Mantels beinahe durchgescheuert. Wenn er auf der Straße ging, sich nervös umschaute und dabei lachte, wirkte er gefährlicher als sein schweigsamer, wild dreinschauender Sohn.
    Als Sarah King begann, abends mit Joe Welling auszugehen, schüttelten die Leute bestürzt den Kopf. Sie war hochgewachsen und blass und hatte dunkle Ringe unter den Augen. Das Paar sah lächerlich aus. Sie gingen unter den Bäumen dahin, und Joe redete. Von seinen leidenschaftlichen, eifrigen Liebesbeteuerungen, die aus dem Dunkel an der Friedhofsmauer oder den tiefen Schatten der Bäume auf dem Hang erklangen, der sich vom Teich des Wasserwerks bis hinauf zum Festplatz zog, sprach man in den Geschäften. Männer standen an der Bar im «New Willard House» und redeten lachend über Joes Werben. Nach dem Gelächter kehrte Stille ein. Das Winesburger Baseballteam gewann unter seiner Leitung Spiel um Spiel, und die Stadt respektierte ihn. Sie erahnten eine Tragödie, und sie warteten unter nervösem Gelächter.
    Das Treffen zwischen Joe Welling und den beiden Kings, dem die Stadt nervös entgegengefiebert hatte, fand an einem Samstag spätnachmittags in Joe Wellings
Zimmer im «New Willard House» statt. George Willard war Zeuge der Begegnung. Sie gestaltete sich wie folgt:
    Als der junge Reporter nach dem Abendessen auf sein Zimmer ging, sah er Tom King und seinen Vater im Halbdunkel in Joes Zimmer sitzen. Der Sohn hielt den schweren Gehstock in der Hand und saß nahe der Tür. Der alte Edward lief nervös umher und kratzte sich mit der rechten Hand am linken Ellbogen. Die Flure waren leer und still.
    George Willard ging auf sein Zimmer und setzte sich an den Tisch. Er versuchte zu schreiben, doch die Hand zitterte ihm so sehr, dass er den Stift nicht halten konnte. Auch er lief nervös auf und ab. Wie die anderen in Winesburg war er verwirrt und wusste nicht, was er tun sollte.
    Es war halb acht, und es wurde rasch dunkel, als Joe Welling den Bahnsteig entlang zum «New Willard House» ging. In den Armen hielt er ein Bündel Unkraut und Gräser. Ungeachtet des Entsetzens, das seinen Körper erbeben ließ, amüsierte sich George Willard über den Anblick der kleinen, munteren Gestalt mit den Gräsern auf den Armen, wie sie den halben Bahnsteig entlangrannte.
    Zitternd vor Furcht und Anspannung stand der junge Reporter verborgen im Flur vor der Tür des Zimmers, in dem Joe Welling mit den beiden Kings sprach. Ein Fluch war zu hören gewesen, dann das nervöse Kichern des alten Edward King und Stille. Nun erhob sich Joe Wellings Stimme scharf und klar. George Willard lachte auf. Er verstand. So wie er zuvor alle
Männer weggefegt hatte, so riss Joe Welling auch die beiden Männer in dem Zimmer mit einer Flutwelle Wörter von den Füßen. Der Lauscher im Flur ging, in Erstaunen versunken, auf und ab.
    Joe Welling hatte den gebrummten Drohungen Tom Kings im Zimmer keine Beachtung geschenkt. In eine Idee vertieft schloss er die Tür, entzündete eine Lampe und verstreute die Handvoll Unkraut und Gräser auf dem Fußboden. «Ich habe hier etwas», verkündete er feierlich. «Ich wollte George Willard davon erzählen, damit er daraus einen Artikel für die Zeitung macht. Ich bin froh, dass Sie hier sind. Ich wünschte, auch Sarah wäre hier. Ich wollte schon zu Ihnen kommen und Ihnen einige meiner Ideen vortragen. Die sind interessant. Sarah aber ließ mich nicht. Sie sagte, wir würden streiten. Das ist töricht.»
    Joe Welling lief vor den beiden ratlosen Männern auf und ab und begann mit seiner Erklärung. «Machen Sie jetzt keinen Fehler», rief er. «Das ist etwas Großes.» Seine Stimme war schrill vor Erregung. «Versuchen Sie einfach, mir zu folgen, es wird Sie interessieren. Ganz sicher. Angenommen, dieses – angenommen, der ganze Weizen, der Mais, der Hafer, die Erbsen, die Kartoffeln, alle wären durch ein Wunder weggefegt. Und wir sind nun hier in diesem Bezirk. Um uns herum ist ein großer Zaun errichtet. Das wollen wir einmal annehmen. Niemand kann über den Zaun, und alle Früchte der Erde sind vernichtet, nichts ist mehr übrig als diese wilden Sachen, diese Gräser. Wären wir nun erledigt? Das frage ich Sie. Wären wir erledigt?» Wieder brummte Tom King, und einen Augenblick

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