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Winesburg, Ohio (German Edition)

Winesburg, Ohio (German Edition)

Titel: Winesburg, Ohio (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherwood Anderson
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reizvollste Mädchen der Stadt ihm damit ihre Gunst geschenkt hatte.
    Helen und Seth blieben an einem Zaun stehen, dahinter lag ein niedriges dunkles Gebäude. Das Gebäude war einst eine Fabrik für Fassdauben gewesen, stand jetzt aber leer. Auf der anderen Straßenseite unterhielten sich auf einer Veranda ein Mann und eine Frau über ihre Kindheit, ihre Stimmen drangen klar und deutlich bis zu den ein wenig verlegenen jungen Leuten vor. Es folgte das Geräusch scharrender Stühle, dann liefen der Mann und die Frau auf dem Kiesweg zu einem Holztor. Als der Mann auf der anderen Seite des Tors war, beugte er sich hinüber und küsste die Frau. «Um der alten Zeiten willen», sagte er und ging auf dem Gehweg rasch davon.
    «Das ist Belle Turner», flüsterte Helen und legte kühn die Hand in die von Seth. «Ich wusste gar nicht, dass sie einen Kerl hat. Ich dachte, dafür ist sie zu alt.» Seth lachte beklommen. Die Hand des Mädchens war warm, und ein eigenartiges Schwindelgefühl überkam ihn. In ihm wuchs das Verlangen, ihr etwas zu erzählen, was er eigentlich auf keinen Fall hatte erzählen wollen. «George Willard hat sich in dich verliebt», sagte er, und trotz der Aufregung war seine Stimme leise und still. «Er schreibt an einer Geschichte, und er will verliebt sein. Er will wissen, wie sich das anfühlt.
Er wollte, dass ich es dir erzähle und höre, was du darauf sagst.»
    Helen und Seth gingen schweigend weiter. Sie kamen an den Garten, der das alte Richmond’sche Haus umgab, traten durch eine Lücke in der Hecke und setzten sich auf eine Holzbank unter einen Busch.
    Auf der Straße, als er neben dem Mädchen herging, waren Seth Richmond neue und verwegene Gedanken gekommen. Er bedauerte nun seinen Entschluss, die Stadt zu verlassen. «Es wäre etwas Neues und ganz und gar Herrliches, zu bleiben und häufig mit Helen White durch die Straßen zu gehen», dachte er. In der Phantasie sah er, wie er ihr den Arm um die Taille legte, und spürte ihre Arme fest um seinen Hals geschlossen. Eine jener seltsamen Verquickungen von Ereignis und Ort bewirkte, dass er die Vorstellung des Liebeswerbens um dieses Mädchen mit einer Stelle verband, die er einige Tage davor aufgesucht hatte. Er war wegen einer Besorgung zu einem Farmer gegangen, der auf einem Hügel hinter dem Festplatz lebte, und war auf einem Pfad durch ein Feld zurückgekommen. Am Fuß des Hügels, unterhalb des Farmhauses, hatte Seth unter einer Platane angehalten und sich umgeschaut. Ein leises Summen war an sein Ohr gedrungen. Einen Augenblick lang hatte er geglaubt, der Baum sei die Heimstatt eines Bienenschwarms.
    Und dann hatte Seth hinabgeblickt und die Bienen überall um ihn herum im hohen Gras entdeckt. Er stand in einer Masse Unkraut, das hüfthoch auf dem Feld wuchs, das von dem Hügel abging. Das Unkraut trug eine Unmenge winziger violetter Blüten und verströmte
einen überwältigenden Duft. In ganzen Armeen waren die Bienen auf dem Unkraut versammelt und sangen bei der Arbeit.
    Seth stellte sich vor, wie er an einem Sommerabend unter dem Baum lag, tief begraben unter dem Unkraut. Neben ihm lag in der von seiner Phantasie errichteten Szene Helen White, ihre Hand in seiner. Eine merkwürdige Zurückhaltung hielt ihn davon ab, sie auf den Mund zu küssen, doch er spürte, er hätte es tun können, wenn er gewollt hätte. Stattdessen lag er ganz ruhig da, sah sie an und lauschte der Armee der Bienen, die über seinem Kopf anhaltend das meisterliche Lied der Arbeit sangen.
    Seth ruckte beklommen auf der Bank im Garten. Er ließ die Hand des Mädchens los und schob die Hände in die Hosentaschen. Ihn überkam der Wunsch, seine Begleiterin mit der Bedeutung seines Entschlusses zu beeindrucken, den er gefasst hatte, und er nickte zum Haus hin. «Mutter wird vermutlich ein Getue machen», flüsterte er. «Sie hat noch überhaupt keinen Gedanken darauf verschwendet, was ich im Leben einmal anfangen soll. Sie glaubt, ich bleibe einfach ewig hier und ein Junge.»
    Seths Stimme wurde von einem jungenhaften Ernst erfüllt. «Weißt du, ich muss einfach meinen Weg gehen. Ich muss arbeiten. Das kann ich gut.»
    Helen war beeindruckt. Sie nickte, und ein Gefühl der Bewunderung überkam sie. «So soll es auch sein», dachte sie. «Dieser Junge ist gar kein Junge, sondern ein starker, zielstrebiger Mann.» Bestimmte vage Wünsche, die ihren Körper überfallen hatten, wurden hinweggefegt,
und sie richtete sich auf der Bank sehr gerade auf. Der Donner

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