Winslow, Don
ein Geschenk für mich. Ich hatte ein
schlechtes Gewissen, weil ich's aufgemacht habe.«
»Siobhan -«
»Du bist rückfällig geworden, stimmt's?« Graue Augen hart wie Stein. »Du
machst wieder so einen Job.«
»Ich muss.«
» Warum?«
Er will es ihr erklären, aber er kann ihr nicht zumuten, dass sie diese
Last ein Leben lang mit sich herumträgt. Also sagt er: »Das würdest du nicht
verstehen.«
»O doch, ich verstehe das«, sagt sie. »Ich komme aus Belfast, wie du
weißt, aus der Kashmir Road. Ich hab gesehen, wie meine Brüder und Onkel mit
solchen Geschenkkartons aus dem Haus gingen, um Leute umzubringen.
Maschinenpistolen unterm Bett - kenne ich. Deshalb bin ich dort weg - ich
hatte dieses Morden satt. Und die Mörder.«
»Wie mich.«
»Ich dachte, du hättest dich geändert.«
»Hab ich auch.«
Sie zeigt auf die Schachtel.
»Ich muss«, wiederholt er.
»Warum?«, wiederholt sie ihre Frage. »Was ist so wertvoll, dass man dafür
töten muss?« Du, denkt er.
Aber er bleibt stumm. Ein stummer Zeuge gegen sich selbst. »Wenn du
zurückkommst, bin ich weg«, sagt sie. »Ich komme nicht zurück«, sagt er. »Ich
muss eine Weile verschwinden.«
»Mein Gott! Hattest du vor, mir das zu erzählen, oder wolltest du einfach
so abhauen?«
»Ich wollte dich bitten, mitzukommen.«
Es stimmt. Er hat zwei Pässe, doppelte Tickets. Holt sie aus der Tiefe der
Schreibtischschublade und legt sie in den Deckel der Schachtel, zu ihren Füßen.
Sie schaut nicht einmal hin.
»Einfach so?«, fragt sie.
Eine innere Stimme schreit: Sag's ihr, sag ihr, du tust es für
sie, für uns beide. Vieh sie an, sie soll mitkommen. Er macht den Versuch, aber es geht nicht. Sie würde sich niemals
verzeihen, dass sie mitgemacht hat. Sie würde dir niemals verzeihen.
»Ich liebe dich«, sagt er. »Ich liebe dich wie nichts auf der Welt.«
Sie steht auf, geht einen Schritt auf ihn zu und sagt: »Ich liebe dich
nicht. Ich hab dich geliebt, aber jetzt nicht mehr. Ich liebe keinen Mörder.«
Er nickt. »Du hast recht.«
Er geht an ihr vorbei, steckt seinen Pass und sein Ticket in die Tasche,
klappt die Schachtel zu und legt sie über die Schulter.
»Du kannst hier wohnen bleiben, wenn du willst«, sagt er. »Die Miete ist
bezahlt.«
»Ich kann hier nicht bleiben.«
Aber es war eine schöne Wohnung, denkt er und schaut sich noch einmal um.
Und die schönste und glücklichste Zeit seines Lebens. Hier in dieser Wohnung,
mit ihr zusammen. Er steht da und sucht nach Worten, aber er findet keine.
»Geh«, sagt sie. »Bring jemanden um. Das hast du doch vor, oder?«
»Ja.«
Er geht runter auf die Straße, es regnet in Strömen. Ein kalter, eisiger
Regen. Er klappt den Kragen hoch und wirft einen Blick zurück auf die Wohnung.
Da steht sie, am Fenster.
Mit gesenktem Kopf, die Hände vorm Gesicht.
Die Lichterkette hinter ihr blinkt rot, grün und weiß.
Ihr Kleid
glitzert bei dieser Beleuchtung. Ein Top mit roten und grünen Pailletten. Sehr
weihnachtlich, hat Haley dazu gesagt. Sehr sexy. Tres
décolleté.
Und tatsächlich, Jimmy Peaches kann es nicht lassen, ihr in den Ausschnitt
zu glotzen.
Ansonsten aber gibt er den perfekten Gentleman, das muss man ihm lassen.
Macht sich überraschend gut in seinem stahlgrauen Armani. Selbst das schwarze
Hemd mit der schwarzen Krawatte sieht gar nicht so schlimm aus. Ein bisschen
mafiamäßig vielleicht, aber nicht wirklich unmöglich.
Das Gleiche gilt für das Restaurant. Sie hat irgendeinen sizilianischen
Horror erwartet, aber Sparks Steak House erweist sich als Lokal von Geschmack.
Es ist nicht gerade ihr Geschmack, die Eichentäfelung und die Jagdstiche nach
englischer Art, aber das Ganze hat Stil und entspricht überhaupt nicht ihrer
Vorstellung von einem Mafia-Nest.
Sie sind in mehreren Limousinen gekommen, und der Portier hat für die zwei
Schritte, die sie bis zum langen grünen Baldachin zurücklegen mussten, den
Regenschirm über sie gehalten. Sie erregen ziemliches Aufsehen, die
Herrschaften von der Mafia mit ihren Bräuten am Arm. Die Gäste lassen die
Gabel sinken und starren ungeniert - warum auch nicht, denkt Nora.
Die Mädchen sind phantastisch.
Haleys Spitzenkräfte, geliefert auf Bestellung.
Ausgewählt nach Haarfarbe, Aussehen, Figur.
Entspannte, liebenswerte, welterfahrene Frauen ohne einen Hauch von
Hurenhaftigkeit. Elegant gekleidet, perfekt frisiert, mit vollendeten Manieren.
Die Männer erröten vor Stolz, als sie mit ihnen durchs Lokal laufen. Die
Weitere Kostenlose Bücher