Winslow, Don
Paddy-Arsch«, flüstert ihm Peaches ins
Ohr. »Du willst aussteigen? Gut für dich. Steig aus, bau deine Schränke und
Tische oder was immer und werde glücklich. Okay? Das Leben ist kurz. Du musst
es genießen, solange du kannst.«
»Danke, Jimmy.«
Peaches lässt ihn los und sagt laut: »Wenn ich aus der Drogengeschichte
raus bin, wird gefeiert, okay?«
»Okay.«
Callan wird mit den anderen ins Ravenite eingeladen, aber er geht nicht
hin.
Er fährt nach Hause.
Sucht einen Parkplatz, geht die Treppe hoch und wartet eine Minute vor der
Wohnungstür, bis er seinen Mut zusammengerafft hat, und schließt auf.
Sie ist da.
Sitzt im Sessel am Fenster und liest ein Buch. Und fängt an zu weinen, als
sie ihn sieht. »Ich hatte gedacht, du kommst nicht zurück.«
»Und ich wusste nicht, ob du noch da bist.« Er beugt sich über sie und
umarmt sie.
Sie hält ihn fest, mit beiden Armen. Als sie ihn wieder loslässt, sagt
sie: »Ich dachte, wir könnten uns einen Weihnachtsbaum kaufen.«
Sie suchen sich einen hübschen aus. Er ist klein und ein bisschen dürr.
Kein perfekter Baum, aber ihnen gefällt er. Sie legen schmalzige
Weihnachtslieder auf und verbringen den restlichen Abend damit, den Baum zu
schmücken. Und ahnen nichts davon, dass Big Paulie Calabrese einen neuen
Unterboss ernannt hat: Tommy Bellavia.
Am nächsten Abend kommen sie zu ihm.
Callan läuft von der Arbeit nach Hause, seine Jeans und seine Schuhe sind
voller Sägemehl. Es ist kalt, also hat er den Mantelkragen hochgeschlagen und
die Mütze tief über die Ohren gezogen.
Er sieht und
hört nichts von dem Auto, bis es neben ihm hält. Eine Scheibe senkt sich.
»Steig ein.«
Man sieht keine Pistole, nichts. Ist auch nicht nötig. Callan weiß, dass
er einsteigen muss, früher oder später, wenn nicht in dieses Auto, dann in ein
anderes, also steigt er ein. Rutscht auf den Beifahrersitz, hebt die Arme und
lässt sich von Sal Scachi den Mantel aufknöpfen, unter den Armen, im Kreuz und an den Beinen
abtasten.
»Es ist also wahr«, sagt Scachi. »Du bist unter die Zivilisten gegangen.«
»Ja.«
»Ein Normalbürger«, sagt Scachi. »Was zum Teufel ist das? Sägemehl?«
»Ja, Sägemehl.«
»Mist, jetzt hab ich das Zeug am Mantel!«
Ein netter Mantel, denkt Callan. Muss einen halben Tausender gekosten
haben.
Scachi biegt in den West Side Highway ein, Richtung Uptown, dann fährt er
unter eine Brücke und hält.
Gute Stelle, denkt Callan, um jemandem die Kugel zu geben.
Sehr praktisch, so dicht am Wasser.
Er hört sein Herz hämmern.
Auch Scachi hört es.
»Hier brauchst du keine Angst zu haben, Kleiner.«
»Was willst du von mir, Sal?«
»Einen letzten Job«, sagt Scachi.
»Diese Art von Job mache ich nicht mehr.«
Er blickt auf den Hudson hinaus, hinüber zu den Lichtern von Jersey, wie
sie nun mal sind. Vielleicht sollte ich mit Siobhan nach Jersey ziehen, denkt
er, ein bisschen weg von dieser Scheiße. Dann können wir am Fluss spazieren
gehen und die Lichter von New York sehen.
»Du hast keine Wahl, Kleiner«, sagt Scachi. Entweder du bist für uns, oder
du bist gegen uns. Und wir können nicht dulden, dass du gegen uns bist, dafür
bist du zu gefährlich, Billy the Kid Callan. Ich meine, du hast hinlänglich
bewiesen, dass du einen Hang zur Rachsucht hast. Erinnerst du dich? Eddie
Friel?«
Ja, ich erinnere mich, denkt Callan.
Ich erinnere mich, dass ich Angst hatte. Angst um mich und Angst um
Stevie, und die Kanone ging los, als hätte ein anderer sie abgedrückt. Ich
erinnere mich auch an den Ausdruck in Eddie Friels Augen, als ihm die Kugeln
ins Gesicht reinkrachten.
Ich war siebzehn Jahre alt.
Und ich würde alles drum geben, hätte ich an diesem Nachmittag nicht in
dieser Bar gesessen.
»Ein paar Leute müssen weg, Kleiner«, sagt Scachi. »Und es wäre ...
unklug, wenn das einer von der Familie erledigt. Du verstehst.«
Ich verstehe, denkt Callan. Big Paulie will den Cozzo-Zweig der Familie
wegputzen - Johnny Boy, Jimmy Peaches, Little Peaches -, aber er will auch
behaupten können, dass er es nicht war. Will es auf die wilden Iren schieben.
Uns liegt das Morden eben im Blut.
Und ich hab doch eine Wahl, denkt er.
Ich kann töten, oder ich kann sterben.
»Nein«, sagt er.
»Was nein?«
»Ich lege keine Leute mehr um.«
»Sieh mal -«
»Ich mach's nicht«, wiederholt Callan. »Wenn du mich erschießen willst,
dann tu's.«
Mit einem Mal fühlt er sich frei, als wäre seine Seele schon entschwebt,
als würde sie
Weitere Kostenlose Bücher