Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
Vom Netzwerk:
Bodenschätzen, die Rodung der Wälder - und natürlich für
Ölbohrtürme.
    Muss denn wirklich alles auf dem Altar des Kapitalismus geopfert werden?,
fragt er sich, wieder in der Gegenwart angekommen.
    Er steht auf, dreht die Musik leiser und hält Ausschau nach seinen
Zigaretten. Immer muss er nach ihnen suchen, genauso wie nach der Brille. Und
Nora hilft ihm nicht, obwohl sie die Schachtel auf einem Tischchen liegen
sieht. Er raucht viel zu viel, das kann ihm nicht guttun.
    »Der Rauch stört mich wirklich«, sagt sie.
    »Ich zünde sie nicht an«, verspricht er, als er die Schachtel findet.
»Ich nuckle nur so.«
    »Versuch's doch mit Kaugummi.«
    »Ich mag kein Kaugummi.«
    Er setzt sich hin, ihr gegenüber, und blickt ihr in die Augen. »Du willst,
dass ich zurücktrete.«
    Sie schüttelt den Kopf. »Ich will, dass du tust, was du tun musst.«
    »Hör auf, mich zu erziehen!«, blafft er. »Sag mir lieber, was du denkst.«
    »Na gut«, sagt sie. »Auch du musst irgendwie leben. Du hast es dir
verdient. Wenn du zurücktrittst, wird dir niemand etwas vorwerfen. Sie werden
dem Vatikan die Schuld geben, und du kannst erhobenen Hauptes aus alldem
hervorgehen.«
    Sie steht vom Sofa auf und gießt sich ein Glas Wein ein. Sie möchte jetzt
Wein, aber vor allem will sie seinem Blick ausweichen. Will nicht, dass er ihr
in die Augen sieht, als sie sagt: »Ich bin egoistisch. Den Gedanken, dass dir
was passieren könnte, halte ich nicht aus.«
    »Aha.«
    Die geteilte und doch unausgesprochene Erkenntnis lastet schwer zwischen
ihnen: Wenn er nicht nur auf seinen Kardinalsrang verzichten würde, sondern
auch auf die Priesterschaft, dann könnten sie ...
    Aber das würde er niemals tun, denkt sie, und ich würde es nicht wirklich
wollen.
    Und er denkt: Was bist du für ein Narr! Sie ist vierzig Jahre jünger als
du, und was immer kommen mag, im Herzen bleibst du Priester. Also sagt er: »Ich
fürchte, ich bin hier der Egoist. Vielleicht hält dich unsere Freundschaft
davon ab, eine Beziehung zu suchen -«
    »Hör auf.«
    »- die deinen Bedürfnissen eher entspricht.«
    »Du entsprichst all meinen Bedürfnissen.«
    Der Blick, mit dem sie das sagt, ist so ernst, dass er zusammenzuckt.
Diese erschreckend intensiven Augen. »Allen bestimmt nicht.«
    »Allen.«
    »Willst du keinen Ehemann?«, fragt er. »Eine Familie, Kinder?«
    »Nein.«
    Verlass
mich nicht, will sie schreien. Zwing mich
nicht, dich zu verlassen. Ich brauche
keinen Ehemann, keine Familie, keine Kinder. Ich brauche weder Sex noch Geld
noch Luxus noch Sicherheit.
    Ich brauche dich.
    Es gibt sicher eine Million psychologische Gründe - ein liebloser Vater,
sexuelle Störungen, Angst vor einer wirklichen Beziehung -, ein Psychiater
hätte seine Freude an mir, aber das ist mir egal. Und du bist der beste Mensch,
den ich je kannte. Der klügste, netteste, lustigste. Und ich weiß nicht, was
ich tue, wenn dir was passiert, also bitte, verlass mich nicht. Zwing mich
nicht, dich zu verlassen.
    »Du wirst also nicht zurücktreten?«, fragt sie.
    »Ich kann nicht.«
    »Okay.«
    »Wirklich?«
    »Klar.«
    Sie hat nie wirklich geglaubt, dass er zurücktreten wird.
    Ein zaghaftes Klopfen an der Tür, sein Sekretär steckt den Kopf herein und
sagt, er habe einen unangemeldeten Besucher, dem er schon gesagt habe -
    »Wer ist es?«, fragt Parada.
    »Ein Señor Barrera«, sagt der Sekretär. »Ich hab ihm gesagt -«
    »Ich empfange ihn.«
    Nora steht auf. »Ich muss sowieso los.«
    Sie umarmt ihn und geht, um sich anzuziehen.
    Als er sein Büro betritt, wird er schon von Adán erwartet.
    Er hat sich verändert, denkt Parada.
    Immer noch dieses jungenhafte Gesicht, aber jetzt ist er ein Junge, der
Kummer hat. Kein Wunder bei seinem kranken Kind, denkt er. Parada gibt ihm die
Hand, und zu seiner Überraschung küsst Adán seinen Ring.
    »Ist nicht nötig«, sagt Parada. »Wir haben uns lange nicht gesehen, Adán.«
    »Fast sechs Jahre.«
    »Was also -«
    »Vielen Dank für die Geschenke, die Sie Gloria geschickt haben«, sagt Adán.
    »Keine Ursache«, sagt Parada. »Ich lese auch Messen für sie. Bete für sie.«
    »Das wissen wir zu schätzen. Mehr als Sie glauben.«
    »Wie geht es Gloria?«
    »Unverändert.«
    Parada nickt. »Und
Lucia?«
    »Danke, gut.«
    Parada nimmt Platz
hinterm Schreibtisch, beugt sich mit gefalteten Händen vor und setzt seinen
amtlichen Blick auf. »Vor sechs Jahren habe ich mich an Sie gewandt und um
Gnade für einen wehrlosen Menschen gebeten. Und was

Weitere Kostenlose Bücher