Winslow, Don
Poptop
ein Gesicht macht, als müsste er gleich wieder kotzen, aber was da aus seinem
Mund spritzt, ist keine Kotze, das ist Blut.
Callan liegt schon
flach am Boden, im Blick einen grünen Buick, aus dessen Seitenfenstern
Gewehrläufe ragen. Er zieht seine 22er, gibt zwei Schüsse auf den Buick ab und rollt sich hinter einem geparkten
Auto in Deckung, während eine Kalaschnikow-Salve dort auftrifft, wo er eben
noch lag, vom Beton abprallt und die Außenmauer des Terminals verziert.
Der saudumme Scooby Doo steht einfach nur da, nuckelt an seinem Slurpee-Strohhalm
und staunt über dieses Videogame mit der unheimlich realistischen Graphik. Im
Moment fragt er sich, ob sie die Mall überhaupt verlassen haben und wie dieses
supergeile Game heißt. Callan wagt sich kurz aus der Deckung, reißt Scooby zu
Boden, sein Slurpee klatscht auf den Betonweg, und da es ein Himbeer-Slurpee
ist, kann man ihn kaum von Poptops Blut unterscheiden, das sich ebenfalls über
den Beton ergießt.
Raúl, Fabián und Adán lassen ihre
schwarzen Reisetaschen fallen, holen ihre Kalaschnikows raus und nehmen den
Buick unter Feuer.
Die Kugeln prallen ab - sogar von der Frontscheibe -, Callan merkt, dass der
Buick gepanzert ist, setzt noch zwei Schuss ab und lässt sich wieder fallen.
Jetzt öffnen sich die linken Türen des Buick, Gúero und zwei seiner Leute mit
Kalaschnikows steigen aus, benutzen den Buick als Deckung und ballern drauflos.
Callan wird taub, er
kann nichts mehr hören, in ihm ist völlige Stille, während er sorgfältig auf Gúeros Kopf zielt und gerade im Begriff ist, abzudrücken -
als sich ein weißes Auto in die Schusslinie schiebt. Der Fahrer scheint gar
nicht zu merken, was hier läuft, scheint zu glauben, hier wird mal wieder ein
Film gedreht, und fährt genervt durchs Setting, weil er nun mal zum Flughafen
will. Ein paar Meter vor dem Buick parkt er ein. Was Fabián zu alarmieren
scheint.
Er läuft auf die weiße Limousine zu, vorbei am Buick, und nimmt sie unter
Beschuss, offenbar in der Annahme, dass sie Verstärkung für Gúero bringt, und Callan will ihm
Feuerschutz geben, aber die weiße Limousine steht genau in seiner Schusslinie,
also schießt er lieber nicht, für den Fall, dass dort irgendwelche Zivilisten
drinsitzen und nicht Gúeros
Sicarios.
Aber jetzt wird der Buick von der anderen Seite unter Feuer genommen, von
falschen Provinzpolizisten, wie Callan sieht, sie zwingen Gúero und seine Männer, hinter
dem Buick Deckung zu suchen, so dass Fabián seinen Sturmlauf unbeschadet fortsetzen kann.
Parada sieht ihn nicht
mal kommen, sein Blick ist auf die blutige Szene gerichtet, die sich vor ihm
abspielt. Überall liegen Menschen, einige reglos, andere kriechen auf dem
Bauch, schleppen die Beine nach, er kann so schnell gar nicht unterscheiden,
wer tot ist, wer verwundet oder wer nur Schutz vor den Kugeln sucht, die aus
allen Richtungen kommen. Er sieht einen jungen Mann, direkt neben ihm auf dem
Bürgersteig, er liegt auf dem Rücken, aus seinem Mund quellen blutige
Schaumblasen, seine Augen sind aufgerissen vor Schmerz und Panik. Ein
Sterbender, denkt Parada. Er will aussteigen, ihm die Sakramente erteilen.
Pablo, sein Fahrer, hält ihn fest, aber er ist ein schmächtiges Kerlchen, Parada schüttelt ihn
einfach ab und brüllt »Verschwinde von hier!« Pablo will ihn nicht im Stich
lassen. Er duckt sich unters Steuer, so tief es geht, hält sich die Ohren zu,
während Parada aussteigt. Während Fabián auf ihn zugerannt kommt und mit dem Gewehr auf
seine Brust zielt.
Callan sieht es.
Du Idiot, denkt er, das ist der Falsche. Er sieht, wie sich der beleibte Parada aus dem Auto
zwängt, sich aufrichtet und zu Poptop will, er sieht, wie ihm Fabián den Weg
versperrt und seine Kalaschnikow hebt. Callan springt auf und brüllt »NEIN!«
Springt über die Motorhaube, rast auf Fabián zu, brüllt »FABIAN,
NEIN! DOCH NICHT IHN!«
Fabián wirft einen
Seitenblick auf Callan, und Parada nutzt die Gelegenheit, den Gewehrlauf zu packen und nach unten zu drücken. Fabián will das Gewehr losreißen, drückt dabei ab und trifft Parada in den Knöchel,
mit dem nächsten Schuss ins Knie, aber Parada ist in Rage, er scheint es nicht mal zu spüren, und
das Gewehr lässt er nun erst recht nicht los.
Weil er leben will. Sein Lebenswille ist stärker als je zuvor, das Leben
ist gut, weiß er, die Luft ist herrlich, es gibt noch so viel zu tun. Er will
zu diesem sterbenden jungen Mann und seiner Seele Frieden schenken. Er
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