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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
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wird von fünfzehn Personenschützern der
Präsidentengarde begleitet. Eine Sondereinheit aus Expolizisten, die zur
Absicherung der Wahlkampfveranstaltungen angeheuert wurden, hat sich in der
Menge verteilt. Der Kandidat steht auf der Ladepritsche eines Kleinlasters am
Fuß des Abhangs, der um ihn herum ansteigt wie ein Amphitheater.
    Ramos überblickt die
Lage von oben, auch er hat seine Leute verteilt, denn es kann Probleme geben.
Die Anwohner sind leicht erregbar, und sie strömen von allen Seiten herbei.
Colosios roten Chevy Blazer haben sie schon angegriffen, als er sich durch die
Siedlung zum Versammlungsplatz vorarbeitete, und die Rückfahrt könnte sich
ebenfalls schwierig gestalten.
    Der reinste Affenzirkus ist das hier, sagt sich Ramos.
    Aber Colosio steigt nicht in sein rotes Auto, als er die Rede beendet hat.
    Er hat sich spontan zu einer Protokolländerung entschlossen. Er will zu
Fuß gehen.
    Ein Bad in der Menge nehmen, wie er das nennt.
    »Er will waaas?«, brüllt Ramos ins Funkgerät, das mit General Reyes von der
Präsidentengarde verbunden ist.
    »Er will zu Fuß
gehen.«
    »Das ist
Irrsinn!«
    »Er besteht
darauf.«
    »Wenn er das macht«, sagt Ramos, »können wir für nichts garantieren.«
    Reyes gehört zum
mexikanischen Generalstab und ist Zweiter Kommandeur der Präsidentengarde. Von
einem kleinen Provinzpolizisten lässt er sich nichts sagen. »Personenschutz
ist nicht Ihr Job«, schnaubt er, »das besorgen wir.«
    Colosio wird
Zeuge des Wortwechsels.
    »Seit wann muss
ich mich vorm Volk schützen?«, fragt er.
    Ramos sieht hilflos zu, wie Colosio in die Menge
eintaucht.
    »Haltet die Augen auf!«, warnt er seine Leute über Funk, aber er weiß,
dass sie wenig ausrichten können. Sie sind zwar gute Schützen, doch Colosio ist
in der wogenden Menge kaum auszumachen, ein potentieller Attentäter schon gar
nicht. Nicht nur die Sicht ist schlecht, sie hören auch nichts, weil jetzt die
hier so beliebte Cumbia-Musik losdröhnt. Aus riesigen Lautsprechern.
    Daher hört Ramos auch keinen
Schuss.
    Er hat gerade noch gesehen, wie Mario Aburto die Bodyguards beiseitestieß,
Colosio an der Schulter packte und ihm mit einer 38er in die rechte Schläfe schoss.
    Und während sich Ramos nach unten durchzwängt, bricht das Chaos aus. Mehrere Männer halten Aburto
fest und schlagen auf ihn ein.
    General Reyes will den am Boden liegenden Colosio zu einem Auto schleppen.
Einer seiner Leute, ein Major in Zivil, packt Aburto und zerrt ihn durch die
Menge. Der Major wird mit Blut bespritzt, als jemand mit einem Stein auf
Aburtos Kopf einschlägt, aber inzwischen haben die Wachmänner des Präsidenten
einen schützenden Ring um den Major gebildet, der den Attentäter in einen
schwarzen Suburban befördert.
    Als sich Ramos dem Suburban nähert, sieht er, dass sich ein Rettungswagen bis hierher
durchgekämpft hat, er beobachtet, wie Colosio von Reyes und seinen
Leuten auf die Pritsche verfrachtet wird. Dabei stellt er fest, dass Colosio
eine zweite Wunde hat, am linken Brustkorb - der Mann wurde nicht nur einmal
erschossen, denkt er, sondern zweimal.
    Der Rettungswagen jault auf und fährt los.
    Der schwarze Suburban will gleich hinterher, aber Ramos hebt sein
Gewehr und richtet es direkt auf den Major, der vorn sitzt.
    »Polizei!«, brüllt er. »Weisen Sie sich
aus!«
    »Generalstab! Aus dem Weg!«, brüllt der
Major zurück. Und zieht die Pistole.
    Keine gute Idee. Sofort richten sich zwölf Gewehre auf ihn.
    Ramos tritt von der
Beifahrerseite an den Suburban heran und sieht den angeblichen Attentäter
hinter den Sitzen liegen, während drei Zivile auf ihn eindreschen.
    »Machen Sie auf«, ruft er dem Major zu. »Ich steige ein.«
    »Den Teufel werden Sie!«
    »Ich will, dass der Mann lebend bei der Polizei abgeliefert wird.«
    »Das geht Sie einen Dreck an! Machen Sie den Weg frei!«
    »Wenn sich das Auto bewegt, wird geschossen«, ruft Ramos seinen Männern
zu.
    Er zertrümmert die Seitenscheibe mit dem Gewehrkolben. Der Major zuckt
zurück, Ramos greift hinein, öffnet die Tür und steigt ein. Sein Gewehr richtet er auf
den Bauch des Majors, der Major zielt mit der Pistole auf Ramos' Gesicht.
    »Was soll das?«, fragt der Major. »Bin ich etwa Jack Ruby?«
    »Ich passe nur auf, dass Sie's nicht werden. Dieser Mann soll lebend bei
der Polizei ankommen.«
    »Wir bringen ihn zum Hauptquartier der Federales«, sagt der Major.
    »Hauptsache, er kommt lebend an«,
wiederholt Ramos. Der Major senkt die Pistole und

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