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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
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bedachtsames Schreiten.
    Danach geht es weiter zum Hirschgehege. Nora nimmt ihre Kaffeetasse wieder
an sich und geht vor Adán her. Ein anderer Tierpfleger öffnet ihr das Gatter und reicht ihr einen
Becher mit Leckerbissen zum Verfüttern.
    »Guten Morgen, Tomas.«
    » Señora. «
    Die Hirsche scharen sich um sie, beschnuppern ihren Morgenmantel und
drängen sich nach dem Becher.
    Als alles verfüttert ist, setzen sich Adán und Nora auf
die Ostterrasse, um die Sonne zu genießen. Sie isst eine Grapefruit zu ihrem
Kaffee, weiter nichts. Grapefruit frisch aus dem Obstgarten, buchstäblich
Minuten vorm Verzehr gepflückt. Er dagegen futtert drauflos wie einer von Rauls Löwen. Einen Riesenteller huevos
con machaca, dazu große Stücke Kingfisch und scharfe Chorizo, einen Stapel warme Maistortillas und, auf Noras Drängen, eine Schale
Obst. Die frische Salsa, die neben seinem Teller steht, macht ihr den Mund
wässrig, aber sie bleibt bei ihrer Grapefruit-Diät.
    Er bemerkt es.
    »Völlig fettfrei?«, fragt er.
    »Die Tortilla, die ich dazu
esse, enthält genug Fett.«
    »Ein paar
Pfunde mehr könntest du vertragen.«
    »Du bist aber
charmant.«
    Er lächelt und widmet sich wieder seiner Zeitung, überzeugen wird er sie
ohnehin nicht, denn sie achtet fast so sehr auf ihre Figur wie er. Während er
duscht und sich fürs Büro fertig macht, geht sie in den Fitnessraum. Er hat ihr
eine Stereoanlage und einen Fernseher eingebaut, weil sie beim Workout gern
Unterhaltung hat. Und die Gerätschaften gibt es gleich in doppelter Ausführung,
obwohl sie ihn selten dazu überreden kann, mit ihr gemeinsam zu trainieren.
    Jeden zweiten Tag joggt sie auf dem langen Fahrweg, der zum Anwesen führt.
Nach Protesten des Wachpersonals hat Adán zwei Sicarios gefunden, die mit ihr liefen. Dann protestierte
aber sie und meinte, sie fühle sich beobachtet, wenn zwei Männer hinter ihr
herliefen, doch in diesem Punkt ließ er nicht mit sich reden.
    Wenn sie also joggt, laufen zwei Leibwächter hinter ihr her. Auf seine speziellen
Anweisungen hin müssen sie im Wechsel laufen und gehen. Er will nicht, dass sie
gleichzeitig außer Atem geraten. Wenn es zum Schusswechsel kommt, soll
wenigstens einer von beiden eine ruhige Hand haben. Außerdem wissen sie: »Wenn
ihr etwas passiert, seid ihr beide tot.«
    Ihre Nachmittage sind lang und ereignisarm. Weil er tagsüber
durcharbeitet, muss sie allein zu Mittag essen. Dann macht sie vielleicht eine
kurze Siesta, streckt sich auf dem Liegestuhl aus, unter dem Schirm, um der
Sonne zu entgehen, und aus demselben Grund verbringt sie die Nachmittage im
Haus, liest Zeitschriften und Bücher, lässt aus lauter Langeweile das mexikanische
Fernsehen laufen und wartet eigentlich nur darauf, dass Adán zum Abendessen
kommt.
    Heute sagt er: »Ich muss auf eine Geschäftsreise. Sie könnte etwas länger
werden.«
    »Und wohin?«
    Er schüttelt den Kopf. »Nach Kolumbien. Die FARC will mit mir verhandeln.«
    »Ich möchte mitkommen.«
    »Zu gefährlich.«
    Das sieht sie ein. Sie wird dann so lange nach San Diego fahren. Shoppen,
die neuesten Filme sehen, sich mit Haley treffen. »Aber du wirst mir fehlen«,
sagt sie. »Du mir auch.«
    »Gehen wir noch mal ins Bett.«
    Sie fickt mit dämonischer Energie. Hält ihn gefangen in ihrem Schoß,
umklammert ihn mit den Schenkeln, spürt seine Stöße tief im Bauch. Sie streicht
ihm übers Haar, als er das Gesicht zwischen ihre Brüste schmiegt, und sagt:
»Ich liebe dich. Tienes mi alma
en tus manos. «
    Du hältst meine Seele in den Händen.
     
    Putumayo,
Kolumbien
     
    1997
     
    Adán sitzt auf der
Rückbank eines Jeeps, der sich auf einem schlammigen, zerwühlten Pfad durch den
Amazonas-Dschungel von Südwestkolumbien arbeitet. Er versucht, die Moskitos und
die kleinen schwarzen Fliegen aus seinem Gesicht zu verjagen, es ist
unerträglich heiß und schwül.
    Die ganze Reise ist eine einzige Strapaze.
    Den Gedanken, mit einer seiner Boeings zu fliegen, hat er schnell
verworfen. Keiner darf wissen, dass er sich mit Tirofio trifft, dem Kommandeur
der FARC. Kriegt die CIA oder die DEA Wind von seiner Reise, hat das katastrophale Folgen.
Außerdem möchte Tirofio, dass er sich unterwegs ein Bild von der Lage macht.
    Also hat er den Seeweg gewählt, hat bei Cabo ein
Sportfischerboot bestiegen, dann auf einem alten Fischkutter die lange Reise
nach Süden angetreten - bis zur Mündung des Río Coqueta an der
südkolumbianischen Küste. Das war der gefährlichste Teil, denn die

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