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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
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verstopft - und nun bietet sie Adán Verhandlungen
an.
    Genau die sind auch nötig, denkt Adán und betrachtet die neben ihm schlafende Nora.
     
    Sie spürt Adáns Blick und wacht auf.
    »Ich möchte ein bisschen rausgehen«, sagt sie nach einem zärtlichen
Morgenkuss.
    »Ich komme mit.«
    Sie ziehen ihre Morgenmäntel über und treten in den Garten hinaus.
    Draußen sitzt Manuel. Wie immer, denkt sie.
    Adán hat ihm ein
Haus auf dem Anwesen bauen lassen, ein kleines, schlichtes Bauernhaus, das mit
Rücksicht auf sein steifes Bein ein wenig verändert und mit Möbeln ausgestattet
wurde, die ihm das Aufstehen erleichtern. Dazu ein Jacuzzi - gegen die
Schmerzen, die mit dem Alter schlimmer werden. Manuel mag ihn nicht benutzen,
wegen der Stromkosten, daher schickt Adán jeden Abend einen Mann hinüber, der ihn einschalten
muss.
    Manuel erhebt sich von seiner Bank und folgt ihnen in diskretem Abstand,
mit seinem typischen Hinken. Für Nora ist er fast eine Karikatur: die
Kalaschnikow über der Schulter, mit zwei gekreuzten Bandeliers wie ein
altmodischer Bandido, an jeder Hüfte ein Pistolenhalfter und ein riesiges Messer im Gürtel.
    Es fehlt nur der große Sombrero und der hängende Schnauzbart, denkt sie.
    Schon kommt das Dienstmädchen mit dem Tablett.
    Zwei Tassen Kaffee: weiß und süß für ihn, schwarz und ohne Zucker für sie.
    Adán bedankt sich,
und sie eilt zurück in die Küche, den Blick von Nora abgewandt, weil sie Angst
hat, dass die gringa sie mit ihren Augen genauso behext wie den patrón. Denn die Frauen
in der Küche behaupten, dass man ihr nur in die Augen sehen muss, und schon
verfällt man ihrer Macht.
    Anfangs war es schwierig, mit der stummen Ablehnung des Personals und mit Rauls offener Kritik umzugehen. Den stört nicht, dass sich Adán eine Geliebte
hält, wohl aber, dass er offen mit ihr zusammenlebt. Nora hat gehört, wie sich
die Brüder stritten, und bot ihre Abreise an, doch Adán wollte nichts
davon hören. Inzwischen haben sie ihre Beziehung in ruhigere Bahnen gelenkt,
und dazu gehört auch der Morgenspaziergang.
    Das Anwesen ist wunderschön, findet Nora. Besonders in den Morgenstunden,
bevor die Sonne alle Schatten zu Silhouetten reduziert und die Farben
überblendet. Zuerst gehen sie in den Obstgarten, weil Adán weiß, wie sehr
sie den Zitrusgeruch liebt, der sich mit dem zarten Duft der Mimosen und
Jacaranden mischt. Unter lavendelfarbenen Blütendolden gehen sie zum
Blumengarten mit seinen Taglilien, Calla, Mohnblüten und dann weiter zum
Rosengarten.
    Sie liebt den Anblick der feucht glänzenden Blumen, das sanfte Fft-fft-fft
des Sprenklers, der alles gut bewässert, bevor die große Hitze einsetzt.
    Adán verscheucht
einen Pfau aus dem Garten.
    Pfauen, Fasane, Perlhühner gibt es hier in Mengen. An einem Morgen ging
sie allein in den Garten - Adán war verreist - und sah einen Pfau auf dem Rand des
Springbrunnens. Als er sie kommen sah, breitete er seinen Fächer aus - ein
herrlicher Anblick.
    Und noch mehr Vögel tummeln sich in den Bäumen. Eine erstaunliche
Vielfalt an Finken - Adán versucht vergeblich, ihr die Namen beizubringen, aber sie erkennt sie nur
an den Gold-, Gelb-, Purpur- und Rottönungen. Neben den verschiedenen Finkenarten
gibt es auch den unglaublich hübschen Kieferntangar, der ihr vorkommt wie ein
flatternder Sonnenuntergang. Und Kolibris. Um sie anzulocken, wurden bestimmte
Blumen gepflanzt und Behälter mit Zuckerwasser aufgehängt. Adán kann die
verschiedenen Sorten unterscheiden, doch sie erkennt die Kolibris nur an ihrem
Schwirren, ihren schillernden Farben und ihrem überraschenden Auftauchen - ein
Schauspiel, das sie nicht missen mag.
    »Wollen wir in den Zoo?«, fragt er.
    »Unbedingt!«
    Adán ist praktisch
und handwerklich veranlagt, daher kann er nicht so recht verstehen, warum Raúl so viel Zeit
und Geld in seine Menagerie steckt. Für Raúl ist es eine von vielen Spielereien, dass er sich
einen Ozelot leistet, zwei Sorten Kamele, einen Gepard, ein Löwenpärchen,
einen Leoparden, zwei Giraffen, ein Rudel seltener Hirsche.
    Aber keinen weißen Tiger. Den hat er an einen Sammler in Los Angeles
verkauft, doch der wurde beim Versuch erwischt, ihn über die Grenze zu
schmuggeln. Musste eine Riesenstrafe zahlen, und der Tiger lebt jetzt im Zoo
von San Diego.
    Während sie also die Menagerie besichtigen, steht schon ein Pfleger mit
Früchten bereit, die Nora an die Giraffen verfüttert. Sie liebt die Grazie
dieser Tiere, ihre langen Hälse und ihr

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