Winslow, Don
und Sand ins Gesicht. Geduckt rennt er zum Piloten,
Phil Hansen.
»Phil, was soll der Scheiß?«
Phil grinst ihn an. »Zwei Vögel.«
Keller weiß, was gemeint ist: Man nimmt zwei Vögel mit hoch. Der eine
fliegt, der andere singt.
»Nein«, sagt Keller. Er zeigt mit dem Daumen über die Schulter. »Der
Junge da hinten gehört mir.«
»Fick dich, Keller!«
Klar, ich ficke mich, denkt Keller. Er schaut in den Hubschrauber, wo
sich Parada schon um den Campesino mit dem gebrochenen Bein kümmert, dann zu Keller aufblickt. Fragend und
fordernd zugleich.
Keller schüttelt den Kopf. Er zieht seine 45er, entsichert und steckt sie in Hansens Gesicht. »Du startest nicht, Phil.«
Keller hört, wie die Federales nach den Gewehren greifen, die Magazine
einklicken lassen.
DEA-Männer kommen aus dem Mess-Zelt gerannt.
Jetzt brüllt Taylor: »Keller, was zum Teufel machen Sie da?«
»Läuft das jetzt so bei uns?«, fragt Keller. »Werfen wir jetzt Leute aus
dem Hubschrauber?«
»Sie sind auch keine Jungfrau, Keller«, sagt Taylor. »Haben es oft genug
auf dem Rücksitz getrieben.«
Da kann ich nicht widersprechen, denkt Keller. Es stimmt.
»Jetzt sind Sie erledigt, Keller«, sagt Taylor. »Ihren Job können Sie
vergessen. Ich bring Sie in den Knast.«
Er klingt richtig glücklich.
Keller zielt weiter auf Hansens Gesicht.
»Das ist eine mexikanische Angelegenheit«, sagt Navarres, der nun auch
aufgetaucht ist. »Halten Sie sich da raus. Das ist nicht Ihr Land.«
»Das ist mein Land!« brüllt Parada. »Und ich exkommuniziere Ihren Arsch so schnell,
dass -«
»Was für Ausdrücke, Padre! «, sagt Navarres.
»Sie kriegen gleich noch mehr zu hören.«
»Wir suchen Don Pedro Aviles«, sagt Navarres, an Keller gewandt. Dann
zeigt er auf Adán. »Dieses kleine Stück Scheiße weiß, wo er steckt, und er wird es uns
verraten.«
»Sie wollen Don Pedro?«, fragt Keller. Er dreht sich von Hansen weg, geht
zu seinem Jeep, schlägt den Poncho auf. Don Pedros Leiche rutscht aus dem Jeep
und fällt zu Boden. »Da haben Sie ihn.«
Taylor starrt hinab auf den von Kugeln durchsiebten Leichnam.
»Was ist passiert?«
»Wir wollten ihn festnehmen. Ihn und fünf seiner Leute«, sagte Keller.
»Sie haben Widerstand geleistet. Sie sind alle tot.«
»Alle?«, fragt Taylor ungläubig. »Keine Verwundeten?«
»Keine.«
Taylor grinst, aber er ist sauer, und Keller weiß es. Keller hat ihnen
gerade die große Trophäe überreicht, daher kann ihm Taylor nichts mehr
anhaben. Nicht das kleinste Härchen kann er ihm krümmen. Trotzdem, ein
Friedensangebot muss sein. Keller zeigt mit dem Kopf auf Adán, und der
verletzte Campesino sagt leise: »Ich glaube, wir haben alle Grund genug, den Mund zu halten.«
»Okay«, sagt Taylor.
Keller steigt in den Hubschrauber und bindet Adán los. »Tut mir
leid, die Sache.«
»Nicht so leid wie mir«, erwidert Adán und wendet sich an Parada: »Wie geht es
seinem Bein, Padre Juan?«
»Ihr kennt euch?«, fragt Keller.
»Ich hab ihn getauft«, sagt Parada. »Und ihm die Erstkommunion erteilt. Aus dem wird
mal was.« Aber sein Blick sagt etwas anderes.
Keller ruft
nach vorn: »Phil, du kannst jetzt losfliegen. Zum Krankenhaus von Culiacán, aber mach
Tempo!« Der Hubschrauber hebt ab. »Arturo«, sagt Parada. »Ja?«
Der Pfarrer strahlt ihn an.
»Mein Glückwunsch«, sagt Parada. »Du bist ein verrückter Hund.«
Keller blickt hinunter auf die zerstörten Felder, die abgebrannten
Dörfer, die lange Schlange der Flüchtlinge auf der Straße.
Verbrannte Landschaft, so weit sein Auge reicht.
Felder mit verschmorten Blüten.
Ja, denkt Keller. Ich bin ein verrückter Hund.
Neunzig Minuten später liegt Adán zwischen den blütenweißen Laken des besten
Krankenhauses von Culiacán. Die Gesichtswunde, die ihm Navarres' Pistolenlauf zugefügt hat, ist
gereinigt und verarztet, er ist vollgepumpt mit Antibiotika, aber die
Schmerzmittel hat er zurückgewiesen. Adán will den Schmerz spüren.
Er steigt aus dem Bett und läuft durch die Korridore, bis er das Zimmer
gefunden hat, wo sie, auf sein Drängen, Manuel Sánchez untergebracht
haben.
Der Campesino öffnet die Augen und sieht Adán.
»Mein Bein...«
»Ist noch dran.«
»Die sollen nicht -«
»Ich passe
auf«, sagt Adán. »Schlaf dich erst mal aus.« Adán macht sich auf die Suche nach dem Arzt. »Können Sie
sein Bein retten?«
»Ich glaube
schon«, sagt der Arzt. »Aber das wird teuer.«
»Wissen Sie,
wer ich bin?«
»Ich weiß,
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