Winslow, Don
Sergeanten zu,
er werde die Sache regeln, nimmt den Verrückten beim Ellbogen und will ihn
wegführen.
»Komm, Alter, Jesus hat mir gesagt, er will dich sprechen. Drüben auf der
anderen Straßenseite.«
»Wirklich?« sagt der Mann. »Mir hat er gesagt, du sollst dich ins Knie ficken.«
Der Mann sieht ihn an, mit erstaunlichen grauen Augen. Das ist kein
Verrückter, begreift Keller. Manchmal schaust du einem Menschen in die Augen
und du weißt auf Anhieb, dass mit ihm nicht zu scherzen ist.
Diese Augen haben Dinge gesehen - ohne ihnen auszuweichen, ohne vor ihnen zurückzuschrecken.
Jetzt sieht der Mann das DEA-Abzeichen auf Kellers Mütze.
»Bist wohl stolz auf dich«, sagt der Mann.
»Ich mache nur meinen Job.«
»Und ich mache meinen.« Er will zurück zu den Soldaten. »Hören Sie«, sagt
Keller. »Ich kann nicht mit ansehen, dass Ihnen was passiert.«
»Dann machen Sie doch die Augen zu.« Er sieht Kellers besorgten Blick und
fügt hinzu: »Keine Sorge, die tun mir nichts. Ich bin Geistlicher. Genauer
gesagt Bischof.«
Ein Geistlicher, der »Fick dich ins Knie« sagt?, denkt Keller. Welche Art
von Pfarrer - Entschuldigung, Bischof - benutzt denn solche -
Gewehrschüsse durchkreuzen seine Gedanken.
Keller hört das dumpfe tock-tock-tock von Kalaschnikows und wirft sich zu
Boden, in den Dreck, so flach, wie er nur kann. Als er hochblickt, sieht er den
Priester noch stehen - wie ein einsamer Präriebaum steht er da, während alle
anderen flachliegen. Er hält sein Kreuz in die Höhe und brüllt den Schützen am
Berghang zu, sie sollen aufhören mit der Ballerei.
So viel Tapferkeit hat Keller selten erlebt.
Oder Dummheit. Oder einfach Verrücktheit.
Scheiße, denkt Keller.
Er springt auf und drückt den Mann zu Boden.
»Den Kugeln ist es egal, ob Sie Pfarrer sind«, sagt er.
»Gott wird mich rufen, wenn er mich zu sich holen will«, erwidert der
Priester.
Klar. Gott hatte schon die Hand am Telefon, denkt Keller. Er bleibt neben
dem Mann liegen, bis die Gewehre verstummt sind, dann riskiert er wieder einen
Blick und sieht Soldaten auf den Berg zulaufen, in Richtung der Schüsse.
»Haben Sie vielleicht eine Zigarette?«, fragt der Pfarrer.
»Ich rauche nicht.«
»Sie sind wohl Puritaner?«
»Rauchen kann Sie töten«, sagt Keller.
»Alles, was ich mag, kann mich töten«, antwortet der Pfarrer. »Ich rauche,
ich trinke, ich esse zu viel. Eine Folge der Enthaltsamkeit, vermutlich. Ich
bin Bischof Parada. Nennen Sie mich Padre Juan.«
»Sie sind verrückt, Padre Juan.«
»Christus braucht Verrückte«, sagt Parada, erhebt sich vom Boden und klopft sich den Staub ab.
Strahlend blickt er in die Runde. »Und das Dorf steht noch!«
Klar, denkt
Keller. Weil die Gomeros geschossen haben. »Haben Sie einen Namen?«, fragt Parada. »Art Keller.«
Keller reicht
ihm die Hand, Parada nimmt sie. »Was machen Sie hier, warum fackeln Sie unser Land ab?«
»Wie ich schon
sagte. Das ist -«
»Ihr Job«, sagt Parada. »Ein beschissener Job, Arturo.« Er sieht, dass Keller freundlich auf den
»Arturo« reagiert. »Sie sind halber Mexikaner, oder?«, fragt er. »Stimmt.
Mütterlicherseits.«
»Ich bin Halbamerikaner«, sagt Parada. »Geboren in Texas. Meine Eltern waren mojados, Wanderarbeiter, und sind zurück nach Mexiko, als
ich noch klein war. Technisch gesehen besitze ich die amerikanische
Staatsbürgerschaft. Ich bin Texaner.«
»Yee-haw!«
»Hook 'em horns!«
Eine Frau kommt angerannt und redet hastig auf Parada ein. Sie weint
und spricht viel zu schnell, Keller versteht nur das eine oder andere Wort: Padre Juan, federales und tortura.
Parada wendet sich an
Keller. »In einem Camp hier in der Nähe werden Gefangene gefoltert. Können Sie
dem ein Ende setzen?«
Wahrscheinlich nicht, denkt Keller. Das ist die eiserne Regel bei
Operation Condor. Die Federales bringen sie zum Singen, und wir hören uns das
Lied an. » Padre, ich bin nicht befugt, mich in die inneren Angelegenheit der -«
»Hören Sie auf, ich bin kein Idiot«, sagt Parada. »Fahren wir.«
Er geht zu Kellers Jeep und steigt ein. »Kommen Sie, bewegen Sie Ihren
Arsch.«
Keller steigt
ein, startet den Motor und wirft den Gang ein.
Als sie im Basiscamp eintreffen, sieht Keller, dass Adán in einem
offenen Hubschrauber sitzt, die Hände auf den Rücken gefesselt. Neben ihm liegt
ein Campesino mit einer grässlichen Unterschenkelfraktur.
Der Hubschrauber will gerade starten. Keller springt aus dem Jeep, die
Rotoren wehen ihm Staub
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