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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
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nur, dass sie Tijuana in südlicher Richtung verließen, ziemlich
lange auf der glatten Straße nach Ensenada blieben. Danach wurden die Straßen
holpriger, sie spürte, dass es bergauf ging, mit VierrAdántrieb über felsigen
Grund, und schließlich roch sie den Ozean. Als ihr die Augenbinde abgenommen
wurde, war es schon dunkel.
    »Wo ist Adán?«, fragte sie Raúl.
    »Er kommt.«
    »Wann?«
    »Bald. Ruh dich aus. Schlaf ein bisschen. Du hast eine Menge
durchgemacht.« Er gab ihr eine Schlaftablette. Eine Tuinol.
    »Die brauche ich nicht.«
    »Doch. Nimm sie. Du brauchst Schlaf.«
    Er blieb neben ihr stehen, bis sie die Tablette geschluckt hatte. Sie
schlief wie ein Stein und wachte erst am Morgen auf, mit dumpfem Kopf und
pelziger Zunge. Sie vermutete sich an der Küste irgendwo südlich von Ensenada,
doch dann ging die Sonne auf der falschen Seite auf, und sie begriff, dass sie
sich an der Ostküste der Halbinsel befand. Und bei Tageslicht erkannte sie das
hellgrüne Wasser des Golfs von Kalifornien.
    Aus dem Schlafzimmerfenster sah sie größere Häuser weiter oben am Hang,
die ganze Küste sah aus wie eine rote Mondlandschaft. Wenig später kam eine
junge Frau von einem der Häuser herunter und brachte ihr Frühstück - Kaffee,
Grapefruit und ein paar warme Tortillas.
    Und einen Löffel.
    Kein Messer, keine Gabel.
    Ein Glas Wasser mit einer weiteren Tuinol.
    Sie sträubte sich, bis ihre Nerven nicht mehr mitspielten, dann schluckte
sie die Tablette und fühlte sich umgehend besser. Den Vormittag verschlief sie
und wachte erst auf, als die Frau das Mittagessen brachte - frisch gegrillter
Thunfisch, gedünstetes Gemüse, Tortillas.
    Und Tuinol.
    Mitten in der Nacht wurde sie geweckt und einem Verhör unterzogen.
    Der Mann, der sie befragte, höflich und beharrlich, war klein und hatte
einen Akzent, der nicht mexikanisch klang.
    Was geschah in der Nacht, als Sie das Geld überbrachten?
    Wohin sind Sie gefahren? Wen haben Sie gesehen? Mit wem haben Sie
gesprochen?
    Ihre Fahrten nach San Diego: Was haben Sie dort gemacht? Was haben Sie
gekauft? Wen haben Sie getroffen?
    Kennen Sie einen Arthur Keller? Sagt Ihnen der Name etwas?
    Waren Sie
jemals wegen Prostitution in Haft? Wegen Drogendelikten? Steuerhinterziehung? Doch auch sie hatte Fragen. Wovon reden
Sie? Warum fragen Sie mich das alles? Wer sind Sie überhaupt? Wo ist Adán?
    Weiß er, dass
Sie mich belästigen? Kann ich jetzt weiterschlafen?
    Sie ließen sie weiterschlafen, weckten sie fünfzehn Minuten später und
redeten ihr ein, es sei die nächste Nacht. Sie tat, als würde sie ihnen
glauben, und sie musste sich dieselben Fragen anhören, wieder und wieder, bis
sie es satt hatte.
    Ich will
weiterschlafen.
    Wo ist Adán? Ich will ihn
sehen.
    Ich will eine
Tuinol.
    Bald, versprach der Mann und wechselte die Taktik. Erzählen Sie mir, was an dem Tag der Geldübergabe passiert ist. Jede
Minute. Sie sind ins Auto gestiegen und... Und, und, und...
    Sie kroch zurück ins Bett, presste das Kissen auf die Ohren und sagte, er
solle weggehen, sie sei müde. Er bot ihr eine Tablette an, und sie nahm sie.
    Sie schlief vierundzwanzig Stunden, dann fingen sie von vorn an.
    Fragen, Fragen, Fragen.
    Erzählen Sie mir hiervon, erzählen Sie mir davon. Art Keller, Shag Wallace,
Art Keller.
    Erzählen Sie mir, wie Sie den Chinesen erschossen haben. Was war
vorgefallen? Wie haben Sie sich gefühlt? Wo haben Sie die Pistole angefasst? Am
Lauf oder am Griff?
    Erzählen Sie mir von Keller. Wie lange kennen Sie ihn? Hat er sich an
Sie gewandt oder Sie sich an ihn?
    Ihre Antwort: Wovon reden Sie überhaupt?
    Denn sie wusste: Eine einzige Antwort, und sie verirrt sich im Nebel aus
Barbituraten, Müdigkeit, Angst, Verwirrung, Desorientierung. Sie begriff, was
sie mit ihr vorhatten, aber sie konnte sich nicht wehren.
    Der Mann berührte sie kein einziges Mal, und er drohte ihr nicht.
    Darauf beruhte ihre Hoffnung, denn das bedeutete, dass sie nichts Genaues
wussten. Wären sie sich sicher gewesen, hätten sie zur Folter gegriffen, um ihr
Informationen abzupressen, oder sie einfach getötet. Das »weiche« Verhör
bedeutete, dass sie ihre Zweifel hatten, und es bedeutete noch etwas anderes - dass Adán zu ihr hielt.
Sie tun mir nichts, kalkulierte sie, weil sie immer noch Adán zu fürchten
haben. Also blieb sie fest. Gab ausweichende, konfuse Antworten, leugnete
schlicht oder reagierte mit gereizten Gegenfragen.
    Aber die Sache zerrte an ihren Nerven, brachte sie an den Rand

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