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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
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lässt nicht lange auf sich warten.
    »Und ich muss Ihre Quelle kennen«, sagt Hobbs. »Natürlich.«
    Keller nennt ihm die Quelle.
     
    Callan läuft vom Strand zurück zu seiner Hütte. Es ist ein kalter,
nebliger Tag an der nordkalifornischen Küste, ein Wetter, das er mag.
    Es fühlt sich gut an.
    Er öffnet die Tür - und zieht seine 22er. »Immer sachte!« Scachi versucht ihn zu beruhigen. »Wir haben kein
Problem.«
    »Wirklich nicht?«
    »Du bist abgetaucht, Sean«, sagt Scachi. »Hättest vorher mit mir reden
sollen.«
    »Und das Ding, das wir gedreht haben? Der Geldtransport für die Barreras?«
    »Kalter Kaffee.«
    »Wir haben also kein Problem«, sagt Callan, ohne die Pistole zu senken.
»Danke für die Auskunft. Und nun verschwinde.«
    »Ich habe einen Job für dich.«
    »Sorry«, sagt Callan. »Solche Jobs mache ich nicht mehr.« Das trifft sich
gut, sagt Scachi. Diesmal geht es nicht um einen Killerjob. Diesmal wird es ein
Rettungseinsatz.
     
    Keller und Scachi beschließen, vom Wasser her anzugreifen.
    Sie studieren das Kartenmaterial und stellen fest, dass sie nur auf diesem
Wege schnell genug sein können. Ein Fischkutter bei Nacht, der nordwärts
vorüberfährt. Sie wollen mit Schlauchbooten an Land gehen.
    Doch es kommt auf den richtigen Zeitpunkt an. Die Cortes-See ist starken
Gezeiten unterworfen. Bei Ebbe weicht das Wasser Hunderte Meter zurück, und
solche Entfernungen machen einen schnellen Zugriff unmöglich. Auch bei
Dunkelheit werden sie entdeckt und niedergemäht, ehe sie den Häusern auch nur
nahe kommen.
    Ihnen bleibt nur ein schmales Zeitfenster. Es muss Nacht sein, und es muss
Flut herrschen.
    »Zwischen einundzwanzig Uhr und einundzwanzig Uhr zwanzig«, sagt Scachi.
»Heute abend.«
    Das ist zu früh, denkt Keller.
    Und vielleicht schon zu spät.
     
    Nora erzählt alles über ihren letzten Aufenthalt in San Diego.
    Wo sie shoppen ging, was sie gekauft hat, wo sie übernachtet hat, dass sie
mit Haley essen war, ein Schläfchen gemacht hat, einen kurzen Lauf, dann
Abendessen.
    »Was haben Sie an dem Abend noch gemacht?«
    »Im Zimmer geblieben, Essen bestellt, ferngesehen.«
    »Sie sind nach La Jolla gefahren, um fernzusehen? Warum?«
    »Mir war eben danach. Ich wollte mal ausspannen, ein bisschen fernsehen.«
    »Was haben Sie gesehen?«
    Sie weiß, dass sie sich aufs Glatteis begibt. Sie weiß es und kann nichts
dagegen tun. So ist das eben mit dem Glatteis - es ist höllisch glatt. Ich war
im Weißen Haus und habe mich mit Keller getroffen, aber das kann ich nicht
sagen, oder ...? Also:
    »Ich weiß nicht. Kann mich nicht erinnern.«
    »So lange ist es nicht her.«
    »Das übliche Zeug, irgendeinen Film. Wahrscheinlich bin ich
eingeschlafen.«
    »Pay-TV oder ein öffentlicher Sender?«
    Sie kann sich nicht erinnern, wie das im Valencia war, ob sie den
Fernseher dort überhaupt eingeschaltet hat. Aber wenn ich sage, es war Pay-TV,
dann muss das auf meiner Rechnung stehen, oder? Also sagt sie, es war ein
öffentlicher Sender. »HBO oder Showtime, eins von beidem.«
    Der Mann spürt, dass er sie in der Schlinge hat. Sie ist kein Profi, sonst
würde sie niemals genaue Angaben machen (»Ich kann mich nicht erinnern - es
könnte so gewesen sein oder auch so«). Aber die Frau hat präzise Angaben
gemacht - bis es um den Abend geht, da weicht sie plötzlich aus.
    Ein professioneller Lügner weiß, dass die Lügen nicht wie Wahrheiten
aussehen dürfen, sondern die Wahrheiten wie Lügen klingen müssen.
    Also, ihre Wahrheiten klingen wahr, und ihre Lügen?
    »Aber Sie wissen nicht, wie der Film hieß.«
    »Ich habe - wie sagt man dazu - ich habe gezappt.«
    »Gezappt.«
    »Ja.«
    »Was haben Sie
an dem Abend gegessen?«
    »Fisch.
Meistens esse ich Fisch.«
    »Wegen Ihrer
Linie.«
    »Klar.«
    »Ich komme gleich wieder. In der Zwischenzeit überlegen Sie, welchen Film
Sie gesehen haben.«
    »Darf ich schlafen?«
    »Im Schlaf können Sie nicht überlegen.«
    Aber wenn ich nicht schlafen kann, kann ich auch nicht überlegen, sagt
sie sich. Das ist das Problem. Ich kann mir keine Lügen mehr ausdenken, ich
bin viel zu müde. Ich weiß selbst nicht mehr genau, was passiert ist und was
nicht. Welchen Film hab ich gesehen? In welchem Film bin ich hier? Wie wird der
Film enden?
    »Wenn Sie sich erinnern, was Sie in der Nacht gesehen haben, lasse ich Sie
schlafen.«
    Er weiß, wie das läuft. Um den ersehnten Schlaf zu bekommen, wird sie
eine »Erinnerung« produzieren. Sie kann sie sogar für echt

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