Winslow, Don
wollen was von uns, aber Sie wollen nichts geben«, sagt der Mann, der
sie verhört. »Ich habe nichts zu geben.« Ihre Beine fühlen sich an wie Holz.
»Das werden wir sehen«, sagt der Mann und fängt von vorne an. Mit Arthur
Keller, der DEA, dem Positionsmelder, ihren Fahrten nach San Diego ...
Sie wissen es doch, denkt Nora. Warum nicht sagen, was sie sowieso schon
wissen? Sollen sie mit mir machen, was sie wollen, Hauptsache, ich darf
schlafen. Adán kommt nicht, Keller kommt nicht, irgendwas muss ich ihnen sagen.
»Lassen Sie mich schlafen, wenn ich über San Diego spreche?«, fragt sie.
Der Mann nickt.
Er geht es mit ihr durch, Schritt für Schritt.
Endlich verlässt Shag Wallace das Büro.
Steigt in seinen fünf Jahre alten Buick und fährt zu einem Supermarkt-Parkplatz
in National City. Dort bleibt er sitzen und wartet. Nach zwanzig Minuten biegt
ein Lincoln Navigator auf den Parkplatz ein, dreht langsam ein paar Runden und
parkt neben ihm ein.
Ein Mann steigt aus und setzt sich zu Wallace in den Buick.
Er legt den Aktenkoffer auf die Knie, klappt die Schlösser auf und dreht
ihn so, dass Wallace die Geldbündel sieht.
»Sind die Polizeipensionen in Amerika besser als in Mexiko?«, fragt der
Mann.
»Nicht sehr«, sagt Wallace.
»Dreihunderttausend Dollar«, sagt der Mann.
Wallace zögert.
»Nehmen Sie's«, sagt der Mann. »Damit helfen Sie nicht den Narcos, nur uns. Das
ist eine Sache unter Polizisten. General Rebollo braucht die Informationen.«
Shag stößt einen langen Seufzer aus.
Dann erzählt er dem Mann, was er hören will.
»Wir brauchen
einen Beweis«, sagt der Mann. Wallace zieht den Beweis aus der Tasche, übergibt
ihn. Und nimmt die dreihunderttausend Dollar.
Der Wind über
der Baja-Halbinsel hat sich gedreht, er kommt jetzt aus Süden und bläst warme
Luft und dicke Wolken über die Cortes-See.
Keine Satellitenfotos. Die letzten, die Keller erhalten hat, sind achtzehn
Stunden alt, und es kann viel passiert sein in diesen Stunden - die Barreras
können geflohen sein, Nora kann tot sein. Die Wolken denken nicht daran, sich
zu verziehen, und die Fotos werden immer älter.
Frischeres Material ist vorerst nicht zu erwarten, er muss daher schnell
handeln - oder gar nicht.
Aber was tun?
Ramos, der einzige
mexikanische Polizist, dem er trauen konnte, ist tot. General Rebollo steht auf der
Gehaltsliste der Barreras, und die mexikanische Regierung rudert heftig zurück.
Keller hat nur
eine Wahl, und die geht ihm gegen den Strich.
Er trifft sich mit John Hobbs auf Shelter Island, dem Jachthafen von San
Diego. Es ist Nacht, sie laufen am Wasser entlang, durch die schmale
Parkanlage, die zur Landspitze führt.
»Sie wissen,
was Sie da von mir erwarten?«, fragt Hobbs.
Allerdings,
denkt Keller.
Hobbs sagt es ihm trotzdem. »Ein illegaler Militärschlag auf dem
Hoheitsgebiet eines befreundeten Staates. Das ist ein Verstoß gegen sämtliche
internationale Abmachungen und gegen ein paar hundert Gesetze, und er könnte -
Sie verzeihen die unglückliche Formulierung - eine schwere diplomatische Krise
auslösen.«
»Es wäre unsere
letzte Chance, die Barreras zu erwischen.«
»Den Waffendeal
mit den Chinesen haben wir doch gestoppt.«
»Diesen einen«, wendet Keller ein. »Glauben Sie, die Barreras hören damit
auf? Wenn wir sie jetzt nicht stoppen, bauen sie ihr Drogen- und Waffengeschäft
aus, und binnen sechs Monaten ist die FARC komplett ausgerüstet.«
Jetzt sagt Hobbs nichts mehr. Keller läuft neben ihm her, versucht, seine
Gedanken zu erraten. Er hört die Wellen gegen die Felsen klatschen, in der
Ferne glitzern die Lichter von Tijuana.
Keller ist der Verzweiflung nahe. Wenn Hobbs jetzt nicht mitzieht, ist
Nora tot, und die Barreras haben gewonnen.
Endlich räuspert.sich Hobbs. »Unsere normalen Ressourcen können wir dafür
nicht einsetzen. Das müssen Externe machen. Wir haben nichts damit zu tun.«
Danke, lieber Gott. Keller beginnt wieder zu hoffen.
»Außerdem, Arthur«, Hobbs bleibt stehen und dreht sich zu ihm um.
»Festnahmen kommen nicht in Frage. Wir können den Mexikanern nicht erklären,
wieso die Barreras bei uns einsitzen. Das wird ein verdeckter Zugriff - keine
Gefangenen, nur Totalsanktion. Sind Sie damit einverstanden?«
Keller nickt.
»Ich muss es von Ihnen hören«, sagt Hobbs.
»Ja, ich bin mit der Totalsanktion einverstanden«, sagt Keller.
So weit, so gut, denkt er. Aber Hobbs wird ihn nicht gehen lassen, ohne
seinen Preis zu verlangen. Er
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