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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
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Operation mit dem Namen >Red Cloud    »Nein.«
    »Lassen Sie Ihre verdammten Lügen! Dasselbe wie Operation Phoenix, oder?
Diesmal in Lateinamerika.«
    »Da sind Sie
auf dem falschen Dampfer, Arthur.«
    »Bilden wir
AUC-Söldner aus?«, fragt Keller. »Das braucht niemand zu wissen.«
    »Aber ich will es wissen!«
    Er erzählt Hobbs von seinem Erlebnis am Fluss. Hobbs schraubt eine
Plastikflasche auf, die auf einem Hocker am Bett steht, gießt sich ein Glas
Wasser ein und trinkt. Keller sieht, wie seine Hand zittert.
    »Sie sind sehr leichtsinnig und erschreckend naiv für einen Mann mit Ihrer
Erfahrung«, sagt Hobbs. »Es ist doch offensichtlich, dass die FARC diese
Massaker verübt und den AUC-Truppen in die Schuhe schiebt. Um die Bevölkerung
aufzuhetzen und um weltweite Anteilnahme zu erregen. Das war die übliche Masche
des Vietcong, damals in den -«
    »Red Cloud, was steckt dahinter, John?«
    »Das müssten Sie am besten wissen!«, fährt ihn Hobbs an. »Sie haben sich
doch dieser Leute erst neulich bedient. Bei Ihrem kleinen Privatfeldzug in
Mexiko. In den Augen des Gesetzes sind Sie ein Massenmörder. Sie stecken genauso
mit drinnen wie wir alle!«
    Keller setzt sich auf das Bett und senkt den Kopf. Er hat recht, denkt er.
Ich stecke mit drinnen, seit ich meine Seele an euch verkauft habe, um mich zu
rächen. Ich habe gelogen und getäuscht, um mich bei meiner Jagd auf Adán Barrera eurer Mittel zu
bedienen.
    Er spürt, dass sich Hobbs neben ihn setzt. Der Mann wiegt so gut wie gar
nichts - wie ein totes, welkes Blatt. »Gehen Sie mir nicht von der Fahne«, sagt
Hobbs.
    Keller nickt.
    »Ich erwarte Ihre volle Unterstützung bei der Operation Colombia. «
    »Die haben Sie, John.«
    Keller geht in sein Zimmer zurück.
    Er zieht sich aus. bis auf die Unterwäsche, macht sich einen Scotch, setzt
sich auf die Pritsche und schwitzt. Der Ventilator kämpft vergebens gegen die
Hitze an. Aber er gibt sein Bestes, denkt Keller. Kämpft für die gute Sache.
    Ich bin nur das Feigenblatt in diesem verdeckten Krieg.
    Der Krieg gegen die Drogen. Mein ganzes beschissenes Leben lang habe ich
gekämpft. Und wofür?
    Milliarden werden dafür ausgegeben, die Drogen von der durchlässigsten
Grenze der Welt fernzuhalten. Vergeblich. Ein Zehntel des Budgets wird für
Aufklärung und Therapien verwendet, neun Zehntel gehen in die polizeilichen
Maßnahmen. Aber keiner hat das Geld, das Drogenproblem bei der Wurzel zu
packen. Dann kommen noch die Milliarden, die es kostet, die Drogenkriminellen
hinter Gittern zu halten, in Gefängnissen, die inzwischen so überfüllt sind,
dass wir Mörder amnestieren müssen. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass
zwei Drittel aller »nicht drogenbezogenen« Straftaten unter Drogen- oder
Alkoholeinfluss begangen werden. Unsere Antwort lautet: Noch mehr Gefängnisse,
noch mehr Polizei, noch mehr Milliarden, die nicht einmal die Symptome
überdecken können, während wir die Krankheit ignorieren. Eine Therapie kann
sich meist nur leisten, wer eine gute Krankenversicherung hat. Aber wer hat
die schon? Auf einen öffentlich geförderten Therapieplatz wartet man bis zu
zwei Jahren. Wir geben fast zwei Milliarden Dollar aus, um die Kokainfelder und
die Menschen in Südamerika zu vergiften, aber das Geld für Therapien fehlt. Es
ist der reine Irrsinn.
    Eine Tragödie, eine blutige Farce, mit der Betonung auf blutig.
    So viel Blut. So viele Leichen. So viele nächtliche Besucher. Zu den alten
Bekannten und den Toten von El Sauzal kommen nun auch die Gespenster vom Rio Putumayo.
Langsam wird es voll im Zimmer.
    Er steht auf
und geht ans Fenster, um Luft zu bekommen. Im Mondlicht sieht er einen
Gewehrlauf glänzen. Blitzschnell lässt er sich fallen.
    Eine Salve zerfetzt das Moskitogitter, den Fensterrahmen', durchlöchert
die Wand über der Pritsche. Er drückt sich an den Boden, hört das Jaulen der
Sirene, Trappeln von Stiefeln, Klappern von Gewehren, Geschrei, Durcheinander.
    Seine Tür geht auf, herein kommt der Diensthabende mit gezückter Pistole.
    »Sind Sie
verletzt, Señor Keller?«
    »Ich glaube
nicht.«
    »Keine Sorge,
die kriegen wir.«
    Zwanzig Minuten später sitzt Keller mit Hobbs im Messzelt beim Kaffee und
versucht, seine Nerven zu beruhigen.
    »Sind Sie immer noch so begeistert von den menschenfreundlichen
Landreformern bei der FARC?«, fragt Hobbs trocken.
    Wenig später kommt ein Offizier mit drei Soldaten herein - sie stoßen
einen Halbwüchsigen vor sich her, der ängstlich,

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