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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
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zitternd und offensichtlich
misshandelt vor Keller zu Boden fällt. Keller blickt auf ihn hinab - der könnte
Javiers Zwillingsbruder sein, denkt er. Nein, Scheiße. Mein eigener Sohn.
    »Das ist einer von den Kerlen«, sagt der Offizier und tritt dem am Boden
Liegenden ins Gesicht. »Die anderen sind entkommen.«
    »Lassen Sie
das«, sagt Keller.
    »Wiederhol, was du gesagt hast«, befiehlt der Offizier, den Stiefel auf
dem Kopf des Jungen. »Spuck's aus!« Der Junge fängt an zu reden.
    Er ist kein Guerilla. Er kommt nicht von der FARC. Die würde es nicht
wagen, einen Armeestützpunkt zu überfallen.
    »Wir wollten
uns nur die Prämie verdienert«, sagt der Junge. »Welche Prämie?«, fragt Keller.
Der Junge erklärt es ihm.
    Adán Barrera zahlt
demjenigen, der Arthur Keller zur Strecke bringt, mehr als zwei Millionen
Dollar.
    »FARC und Barrera«, sagt Hobbs. »Ein und dasselbe.« Keller ist sich da
nicht so sicher.
    Er weiß nur, dass er Barrera töten muss - sonst tötet Barrera ihn.
     
    Sinaloa, Mexiko
     
    San Diego,
Kalifornien
     
    Auch Adán lebt mit Gespenstern.
    Das Gespenst seines Bruders zum Beispiel beschützt ihn. In Mexiko glaubt
man, dass Raúl das Massaker von El Sauzal verübt hat, dass die Gerüchte von seinem Tod nur
ausgestreut werden, um ihn vor den Nachstellungen der Polizei zu schützen.
Folglich wagt man nicht, gegen den anderen Barrera vorzugehen.
    Aber Adán Barrera muss auch mit der Trauer über den Tod seines Bruders leben - und
mit der Wut auf Keller, der ihn auf dem Gewissen hat. Sein Bruder muss gerächt
werden; seine Seele findet keine Ruhe, bis Adán mit Keller
abgerechnet hat.
    Doch es verfolgt ihn noch ein weiteres Gespenst - das von Nora.
    Er konnte es nicht glauben, als die Nachricht von ihrem Tod kam. Wollte es nicht glauben. Dann zeigten
sie ihm den Zeitungsartikel, in dem die Amerikaner behaupteten, sie sei bei
einem Autounfall auf der Rückreise von Ensenada ums Leben gekommen und in
Kalifornien beerdigt worden - in einem geschlossenen Sarg, um zu vertuschen,
dass sie ermordet worden war.
    Ermordet von Keller.
    Adán gab ihr ein
würdiges Begräbnis in Badiraguato. Ein Kreuz mit ihrem Foto wurde durch die
Stadt getragen, Musikanten besangen ihren Mut und ihre Schönheit. Er ließ ihr
ein Grabmal aus feinstem Marmor errichten. Mit der Inschrift Tienes mi alma en tus manos.
    Meine Seele liegt in deinen Händen.
    Jeden Tag lässt er eine Messe für sie lesen, jeden Tag liegt Geld am
Schrein von Santo Jesús Malverde, und jeden Tag liegen frische Blumen auf ihrem Grab in La Jolla,
dafür sorgt ein mexikanischer Florist, der weiß, dass er nur beste Qualität
liefern darf und dass die Rechnung pünktlich bezahlt wird. Auf diese Weise
tröstet sich Adán ein wenig über seinen Verlust hinweg, aber er wird nicht ruhen, bis sie
gerächt ist.
    Er hat 2,1 Millionen
Dollar demjenigen in Aussicht gestellt, der Keller tötet - hunderttausend mehr
als die Summe, die die US-Regierung auf seinen Kopf ausgesetzt hat. Das ist
eine Laune, sicher, aber auch eine Frage des Stolzes.
    Und Geld spielt keine Rolle. Geld ist reichlich vorhanden.
    Die vergangenen sechs Monate hat er damit verbracht, das ganze Kartell von
Grund auf zu reorganisieren. Und das Verrückte nach all den Katastrophen des
vergangenen Jahres: Er ist reicher und mächtiger als je zuvor.
    Sein ganzes Netzwerk läuft jetzt über das Internet, so gut verschlüsselt,
dass nicht einmal die Amerikaner es knacken können. Er gibt seine Anweisungen
übers Internet, verwaltet seine Konten übers Internet, verkauft seine Ware
übers Internet und kassiert übers Internet. In Sekundenbruchteilen wäscht er
riesige Geldmengen, ohne auch nur einen Dollarschein oder Peso anzufassen.
    Auch töten kann er per Internet. Und er tut es. Er muss nur eine E-Mail
verschicken, schon verlässt das Opfer die reale Welt. Er muss sich nicht am
Tatort blicken lassen. Das wäre leichtsinnig und albern.
    Ich bin selbst zum Gespenst geworden, denkt er, ich existiere nur noch im
Cyberspace.
    Für seine leibliche Existenz benötigt er nur ein bescheidenes Haus bei
Badiraguato. Es ist schön, wieder in Sinaloa zu leben, auf dem Lande, mitten
unter den Campesinos. Der Boden hat sich inzwischen erholt, der Mohn blüht wieder in den
herrlichsten Farben: rot, orange und gelb.
    Und das ist gut, denn Heroin ist wieder angesagt.
    Zum Teufel mit den Kolumbianern, der FARC, den Chinesen und all dem Ärger.
Der Kokainmarkt schwächelt ohnehin, das gute alte

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