Winslow, Don
legt den Arm um sie. »Komme ich zu spät?« Unfähig zu sprechen
schüttelt sie den Kopf. »Ich will sie sehen«, sagt Adán. Er öffnet die Tür zu ihrem Zimmer und geht hinein. Art Keller schiebt
ihm die Pistole unter die Nase. »Hallo, Adán.«
»Meine Tochter -«
»Ihr geht's gut.«
Adán spürt
einen Stich im Rücken, dann wird es dunkel um ihn.
Zusammen mit Shag Wallace legt er den bewusstlosen Adán auf eine Bahre. Sie bringen ihn in die Pathologie, legen ihn in einen
Leichensack, schnallen ihn gut fest und rollen ihn hinaus zu dem Van mit der
Aufschrift Hidalgo Bestattungen. Fünfundvierzig Minuten später befindet sich Adán an einem sicheren Ort.
Es war relativ leicht, Lucia zum Verrat an ihrem Mann zu
zwingen, und vielleicht das Widerwärtigste, was Keller je in seinem Leben
getan hat.
Sie haben sie monatelang
beschattet, ihr Haus überwacht, das Telefon angezapft, das Handy abgehört,
haben versucht, die Passwörter zu knacken, mit denen Adán seine E-Mails verschlüsselt.
Doch am Ende reichte ein einfaches
Rechenmanöver, um Lucia in die Enge zu treiben.
Sie nahmen sich ihre Konten vor.
Lucia konnte ihre Einkünfte nicht
belegen. Ende der Geschichte. Sie ging nicht arbeiten, aber sie lebte im
Luxus.
Keller passte sie ab, als sie aus
einem Gourmetgeschäft im teuersten Viertel von Rancho
Bernardo kam. Sie sieht immer noch gut aus, dachte er, als er sie
mit dem Einkaufswagen herauskommen sah. Ihr Körper Pilates-gestählt, ihr Haar
in abgestuften Bernsteintönen gestylt.
»Mrs. Barrera ?« .
Sie reagierte erschrocken, dann
fast müde.
»Ich benutze meinen Mädchennamen«,
sagte sie, als er ihr die DEA-Marke zeigte. »Über die Tätigkeit und den
Aufenthalt meines Mannes kann ich Ihnen keine Auskunft geben. Wenn Sie mich
entschuldigen wollen? Ich muss meine Tochter abholen.«
»Sie ist sehr gut in der Schule,
nicht wahr?«, fragte Keller und kam sich vor wie ein Stück Dreck. »Chor,
Leistungskurs Mathe und Englisch. Darf ich fragen, wie Ihre Tochter
zurechtkommen wird, wenn Sie im Gefängnis sitzen?«
Er ließ sie ins offene Messer
laufen, mitten auf dem Parkplatz des Gourmetgeschäfts, und eröffnete ihr die
Alternativen: Im günstigen Fall eine Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung, im
ungünstigsten eine Haftstrafe zwischen dreißig Jahren und lebenslänglich wegen
Geldwäsche im Zusammenhang mit Drogenkriminalität - für die Beweise werde er
sorgen.
»Ich nehme Ihnen das Haus weg,
Ihre Autos, Ihre Konten«, sagte Keller. »Sie sitzen im Bundesgefängnis, und
Gloria lebt von der Sozialhilfe. Glauben Sie, dass die Notfallversorgung für
sie ausreicht? Medizinisch versorgt wird sie in der Notfallambulanz, wo sie
sich morgens in die Schlange stellen muss und wo sich nur die besten Ärzte um
sie kümmern ...«
Tolle Leistung, sagte er sich. Ein
schwerkrankes Kind als Brechstange zu benutzen. Doch er zwang sich, an das tote
Baby in El Sauzal zu denken,
an das tote Baby in den Armen seiner toten Mutter.
Sie suchte in ihrer Handtasche
nach dem Handy. »Ich rufe meinen Anwalt an.«
»Bestellen Sie ihn gleich ins
Bundesgefängnis San Diego, denn dort fahren wir jetzt hin. Ich schicke jemanden
los, der Gloria von der Schule abholt und ihr erklärt, dass ihre Mutter
verhaftet worden ist. Sie kommt ins Heim, dort wird sie viele neue Freunde
finden.«
»Sie sind die schäbigste Kreatur unter der Sonne.«
»Nein«, sagte Keller, »die
zweitschäbigste. Mit der schäbigsten sind Sie verheiratet. Sie nehmen sein
Geld, aber Sie fragen nicht, wo es herkommt. Möchten Sie ein paar Fotos sehen,
damit Sie wissen, wie er Ihren Haushalt finanziert? Ich hab welche im Auto.«
Lucia fing an zu weinen. »Meine
Tochter ist sehr krank. Sie hat viele Gesundheitsprobleme, die ... sie würde
das nicht überleben ...«
»Ohne ihre Mutter«, ergänzte Keller. »Ich verstehe.« Er
ließ ihr eine Weile Bedenkzeit.
Sie trocknete ihre Augen, gab sich
einen Ruck. »Sagen Sie mir, was ich tun soll.«
Jetzt tippt Keller gerade etwas in
seinen Laptop und blickt zu Adán hinüber,
der mit Handschellen ans Bett gekettet ist. Adán öffnet die Augen, er kommt zu sich und begreift, das ist kein
Alptraum, das ist Wirklichkeit.
Als er Keller erkennt, sagt er: »Ich staune, dass ich noch
lebe.«
»Ich auch.«
»Warum hast du mich nicht erschossen, Cousin?«
Weil ich es satt habe, sagt sich
Keller. Es widert mich an, dieses sinnlose Blutvergießen. Doch er antwortet:
»Ich habe Besseres mit dir vor. Kennst du das
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