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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
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ihr immer Tee. O-Bop, der Typ mit dem brandroten Haar, ist
einfach nur seltsam. Er schaut sie immer an, als wollte er sie flachlegen,
woran sie aber gewöhnt ist. Wer ihr wirklich Angst macht, ist der Dritte. Der
Dicke, der ständig Pfirsiche aus der Büchse frisst.
    Big Peaches.
    Oder Jimmy Piccone.
    Er tut, als würde er sie nicht kennen - und sie auch. Aber
ich kenne ihn genau, sagt sie sich. Mein erster richtiger Kunde. Brutal und
hässlich. Hat mich benutzt wie einen Scheuerlappen. Diesen Abend vergesse ich
nie. Auch an Callan erinnert
sie sich.
    Dafür brauchte sie ein bisschen
länger, weil sie anfangs viel zu erschöpft war. Aber es war Callan - Braunauge -, der sie von den Tabletten entwöhnt hat, der ihr
Eiswürfel zu lutschen gab, wenn sie Durst hatte, aber nichts im Magen behielt,
der ihr übers Haar strich, wenn sie sich übers Toilettenbecken krümmte, ihr
allen möglichen Unsinn erzählte, wenn sie keinen Schlaf fand, manchmal die
ganze Nacht mit ihr Karten spielte, sie zum Essen überredete, ihr Hühnerbrühe
mit Toast brachte und extra losfuhr, Tapioka-Pudding besorgen, bloß weil sie
den Namen lustig fand.
    Erst als sie weitgehend entgiftet war
und sich viel besser fühlte, wurde ihr klar, dass sie sich schon einmal
begegnet waren.
    Mein Debüt als Hure. Ihn wollte
ich als meinen ersten Freier, weiß sie inzwischen. Weil er so sanft aussah und
weil mir seine braunen Augen gefielen.
    »Ich erinnere mich an Sie«, hatte
sie gesagt, als er mit dem Essen hereinkam, einer Banane mit einer Scheibe
Toast.
    Er wirkte überrascht. Und sagte
schüchtern: »Ich mich an Sie auch.«
    »Das ist lange her.«
    »Sehr lange.«
    »Eine Menge ist seitdem passiert.«
    »Tja.«
    Obwohl sie sich furchtbar
langweilt, ging es ihr also gar nicht so schlecht in der »Gefangenschaft«, wie
sie es nannte. Sie konnte fernsehen und Radio hören, hatte einen Walkman, eine
Sammlung CDs, eine Menge Bücher und Zeitschriften, und sie richteten ihr sogar einen
kleinen Fitnessbereich hinter dem Haus ein, Callan und Mickey bauten einen Bretterzaun, obwohl kein anderes Haus in der
Nähe war, sie fuhren los und kauften ein Laufband und einen Hometrainer. Sie
konnte also trainieren, fernsehen, lesen, und es ging ihr gar nicht so
schlecht, bis sie eines Abends im Bett saß und eine Sondersendung über den Drogenkrieg
sah - mit Bildern des Massakers von El Sauzal.
    Ihr stockte der Atem, als der
Sprecher die Vermutung äußerte, die ganze Familie von Fabián
Martínez sei abgeschlachtet worden, weil er als Informant der DEA aufgeflogen sei. Sie zitterte am ganzen Leibe, als sie die auf dem Hof
verstreuten Leichen sah, und Callan musste sie
sofort mit Keller verbinden.
    »Warum hast du mir das nicht
erzählt?«, schrie sie in den Hörer.
    »Weil ich dir das lieber ersparen wollte.«
    »Das hättest du mir sagen müssen ... das hättest du mir
sagen müssen.«
    Sie weinte, bekam einen
Zusammenbruch und versank in Depressionen. Rollte sich im Bett zusammen und
stand nicht mehr auf.
    Neunzehn Tote, ging es ihr immer wieder durch den Kopf.
Frauen, Kinder, ein Säugling sogar. Alles meinetwegen.
    Ihre Bewacher waren ratlos. Callan kam zu ihr ins Zimmer und blieb an ihrem Fußende sitzen wie ein Hund,
er sagte nichts, tat nichts, saß einfach nur da, als könnte er sie auf diese
Weise davor schützen, dass sie sich innerlich in Stücke riss.
    Aber das konnte niemand.
    Sie lag einfach nur da.
    Dann eines Tages brachte ihr Callan mit feierlicher Miene das Telefon. Es war Keller, und Keller sagte
nur: »Wir haben ihn.«
     
    Auch John Hobbs und Sal Scachi
reagieren auf Adáns Festnahme.
    »Es wäre besser gewesen, Arthur
hätte ihn liquidiert«, sagt Hobbs.
    »Jetzt haben wir ein Problem«, sagt Scachi.
    »Das kann man wohl sagen. Wir
sitzen ganz schön in der Patsche. Ich fürchte, wir müssen etwas unternehmen.«
    Ein toter Adán
Barrera ist eine Sache. Ein lebender Adán
Barrera, der plaudert, gar noch vor Gericht, eine ganz andere. Und
Arthur Keller ist völlig unberechenbar geworden. Nein, es ist an der Zeit, zu
handeln.
    John Hobbs geht ans Telefon und ruft in Venezuela an.
    Sal Scachi
macht sich an die Arbeit.
     
    Der Teekessel pfeift. Laut und schrill.
    »Schalte das verdammte Scheißteil
ab!«, brüllt Peaches. »Du und dein beschissener Tee!«
    Mickey nimmt den Kessel vom Herd.
    »Lass ihn in Ruhe«, sagt Callan.
    »Waas?«
    »Ich sagte, du sollst ihn nicht anblöken.«
    »Hey«, sagt O-Bop. »Hier herrscht ja eine Stimmung!« Kein
Wunder,

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