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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
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ist, ihnen nur die Hände abzuhacken, mit denen
sie zur Waffe gegriffen haben. Je länger er drüber nachdenkt, desto besser
gefällt ihm die Idee. Sollen sie doch mit Armstummeln durch Hell's Kitchen
laufen, zur Mahnung für alle anderen, dass man der Autorität mit Respekt zu
begegnen hat.
    Also wird er ihnen die Hände abhacken lassen, und damit fertig -
    Zeigen, dass Big Matt Sheehan ein Gemütsmensch ist.
    Dann erst fällt ihm ein, dass er keinen Eddie the Butcher mehr hat, der
das Abhacken besorgen kann.
    Einen Tag später hat er auch keinen Jimmy Boylan und Tim Healey mehr, weil
Boylan tot ist und Healey spurlos verschwunden. Und Kevin Kelly findet
plötzlich Gründe, sich um irgendwelche Geschäfte in Albany zu kümmern. Marty
Stone hat eine kranke Tante in Far Rockaway, und Tommy Dugan ist gerade auf dem
Sauftrip.
    All das verleitet Big Matt zu der Annahme, dass da ein Putsch - eine
regelrechte Revolution - gegen ihn im Gange ist.
    Vorsorglich bucht er einen Flug nach Florida, wo er seinen zweiten
Wohnsitz hat.
    Was eigentlich eine gute Nachricht für Callan und O-Bop ist.
Nur sieht es so aus, als hätte sich Matt, bevor er ins Flugzeug stieg, mit Big
Paulie Calabrese in Verbindung gesetzt, dem neuen Boss der Cimino-Familie,
weil der ihm einen Gefallen schuldig ist.
    »Einen Gefallen wofür?«, fragt Callan.
    »Vielleicht für ein Stück vom Javits Center?«, sagt O-Bop.
    Big Matt kontrolliert die Bau- und Transportarbeitergewerkschaften, die
am Bau des riesigen Kongresszentrums auf der West Side beteiligt sind. Die
Italiener haben ein Jahr lang oder länger nach einem Stück von diesem Kuchen
gegiert. Allein die Provisionen aus dem Zementgeschäft sind Millionen wert. Im
Moment ist Matt nicht in der Position, mit einem Nein durchzukommen, aber für
sein Ja kann er mit Fug und Recht einen kleinen Gefallen erwarten.
    Eine Frage der Kulanz.
    Callan und O-Bop sind
in einem Apartment der 49th Street zwischen Tenth und Eleventh Avenue eingesargt. Sehr viel Schlaf ist
ihnen nicht vergönnt. Sie liegen da und starren an den Himmel. Oder das, was
man in New York vom Himmel zu sehen kriegt.
    »Wir haben zwei Kerle umgelegt«, sagt O-Bop.
    »Stimmt.«
    »War allerdings Notwehr«, sinniert O-Bop. »Ich meine, es ging nicht
anders, oder?«
    »Stimmt.«
    Eine Weile später sagt O-Bop: »Ich bin neugierig, ob Mickey Haggerty uns
für einen Deal verbrät.«
    »Meinst du, das macht er?«
    »Den erwarten acht bis zwölf Jahre wegen Raub«, sagt O-Bop. »Da käme ihm
ein Deal gerade recht.«
    »Nein«, sagt Callan. »Mickey ist alte Schule.«
    »Mag ja sein, dass er alte Schule ist«, wendet O-Bop ein. »Aber vielleicht
will er einfach nicht so lange in den Bau. Das ist sein zweites Mal.«
    Callan weiß, dass
Mickey seine Zeit absitzen und erhobenen Hauptes ins Viertel zurückkommen will.
Und Mickey weiß, dass ihm keine Bar in Hell's Kitchen auch nur ein Schälchen
Erdnüsse hinstellen wird, sollte er irgendwann singen.
    Mickey Haggerty ist die kleinste ihrer Sorgen.
     
    Das jedenfalls findet Callan. Vor allem, wenn er sich den Lincoln Continental
ansieht, der auf der anderen Straßenseite parkt.
    »Eigentlich können wir's gleich hinter uns bringen«, sagt er zu O-Bop.
    O-Bop hält seinen roten Lockenkopf unter den Küchenhahn und versucht, sich
Kühlung zu verschaffen. Na dann, viel Spaß. Draußen sind vierzig Grad, sie
sitzen in einem Zweizimmerapartment der fünften Etage, mit einer Art
Spielzeugventilator, und der Wasserdruck liegt bei Null, weil die kleinen
Rabauken alle Hydranten der Straße aufgedreht haben. Und als war das nicht
schon schlimm genug, steht da unten eine Crew der Cimino-Familie und wartet
auf eine günstige Gelegenheit zum Zuschlagen.
    Und die wird sich ergeben, wenn die Dunkelheit ihren Schleier über das
Geschehen breitet.
    »Was willst du machen?«, fragt O-Bop. »Willst du runtergehen und
anfangen, rumzuballern? Massenschießerei in Hell's Kitchen?«
    »Das ist besser, als hier oben in der Hitze einzugehen.«
    »Ist es nicht«, befindet O-Bop. »Klar ist das stressig hier oben, aber auf
der Straße erschießen sie uns wie die Hunde.«
    »Irgendwann müssen wir runter«, sagt Callan.
    »Müssen wir nicht.« O-Bop zieht den Kopf unter dem Hahn hervor und
schüttelt das Wasser ab. »Wozu gibt's den Pizza-Service?«
    Er kommt ans Fenster und schaut sich den langen schwarzen Lincoln an.
    »Die Spaghettis bleiben sich doch immer gleich«, sagt O-Bop. »Man sollte
meinen, dass sie irgendwann auch mal

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