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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
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schaut zum blauen Himmel auf
und sagt zu Callan: »Du weißt, was das bedeutet, oder?«
    »Nein, Stevie. Was bedeutet das?«
    »Das bedeutet«, sagt O-Bop und legt den Arm um Callans Schulter, »dass wir
die Kings der West Side sind.« Die Kings der West Side. Das ist die gute
Nachricht.
    Die schlechte Nachricht ist, was aus den hunderttausend Dollar wurde, die
Jimmy Peaches aus der Erbmasse von Matty Sheehan losgeeist hat. Die hundert
Riesen sind weg, denn Jimmy Peaches hat Drogen davon gekauft.
    Nicht das übliche Heroin von der Türkei-Sizilien-Connection, auch nicht
das von der Marseille-Connection. Nicht mal das von der neuen Laos-Connection,
die Santo Trafficante aufgebaut hat. Nein - wenn er diese Quellen anzapft, weiß
es Calabrese fünfzehn Sekunden später, und etwa eine Woche später schockiert
Jimmys aufgedunsene Leiche die Bootstouristen der Circle Line.
    Nein, er hat eine neue Quelle aufgetan.
    Mexiko.
     
    3 California Girls
     
    I wish they all could be California girls.
    Brian Wilson, California Girls
     
    La folia, Kalifornien
     
    1981
     
    Nora Hayden ist vierzehn, als sich zum ersten Mal ein Freund ihres Vaters
an ihr vergreift. Er fährt sie vom Babysitten nach Hause, und plötzlich, ganz
unerwartet, nimmt er ihre Hand und legt sie auf seine Wölbung. Sie will die
Hand wegziehen, aber was sie fasziniert, ist sein Blick, während er ihre Hand
dort festhält.
    Und das Gefühl, das er bei ihr auslöst. Ein Gefühl der Macht.
    Also lässt sie die Hand, wo sie ist. Fummelt nicht rum oder was immer. Das
scheint auch gar nicht nötig zu sein, denn er fängt an, schwer zu atmen und
kriegt so einen komischen, innigen Blick, dass sie am liebsten lachen würde,
aber sie tut's nicht, um - na ja - den Zauber nicht zu brechen.
    Beim nächsten Mal macht er es wieder, und diesmal hält er ihre Hand fest
und bewegt sie langsam im Kreis. Sie spürt, wie er unter ihrer Hand anschwillt,
spürt das Zucken. Dazu sein lächerlicher Blick.
    Beim dritten Mal hält er am Straßenrand, damit sie ihm die Hose aufknöpft.
    Und sie? Findet den Typ ziemlich ekelhaft.
    Der Typ widert sie voll an, aber sie macht alles, was er will, denn sie
spürt, dass sie in dem Moment der Boss ist und nicht er. Sie hat ihn in der
Hand, sie kann ihn zügeln und gängeln, sie muss nur aufhören und dann wieder
anfangen.
    »Das ist kein Schwanz«, sagt sie zu ihrer Freundin Elizabeth, »das ist
eine Hundeleine.«
    »Nein, das ist der ganze Hund«, sagt Elizabeth. »Du streichelst ihn, du
küsst ihn und machst ihm ein weiches Nest, und schon bringt er dir, was du willst.«
    Nora ist vierzehn und sieht aus wie siebzehn. Ihre Mutter kriegt es mit,
aber was soll sie machen? Sie wohnt teils bei ihrer Mom und teils bei ihrem Dad, und selten
hatte die Bezeichnung Joint Custody - geteiltes Sorgerecht - eine so pikante Doppelbedeutung wie in ihrem Fall.
Denn jedes Mal, wenn sie bei ihrem Dad aufkreuzt, gibt es erst mal einen Joint.
    Dad ist so was wie
ein weißer Rasta, aber ohne Dreadlocks und ohne den religiösen Kram. Dad würde Äthiopien
nicht mal auf einer Äthiopien-Karte finden, aber er schwört auf das Kraut. Was
das betrifft, ist er voll dabei.
    Mom ist über all das hinweg, das war auch der Grund für die Scheidung. Aus
ihrer Hippie-Phase ist sie rasant rausgewachsen, vom Hippie zum Yuppie, quasi
über Nacht, von Null auf Hundert. Und sie kommt voran im Leben. Während er
noch immer in Birkenstock-Sandalen rumläuft, als wären sie ihm an die Füße
genagelt.
    Mom hat einen echt guten Job in Atlanta und will Nora zu sich holen, aber
Nora hat keine Lust. Sag mir, wo in Atlanta der Strand ist, sagt sie, sonst
komm ich nicht mit. Irgendwann landet das beim Richter, der Nora fragt, bei
welchem Elternteil sie wohnen möchte, und am liebsten hätte sie gesagt »bei
keinem«, aber dann sagt sie doch »bei meinem Dad«, was bedeutet, dass sie, wenn
sie fünfzehn ist, die großen Ferien in Atlanta verbringen muss.
    Was auszuhalten sein müsste, wenn sie genug Gras dabei hat.
    Die Kids in der Schule nennen sie »Nora die Nutte«, doch das ist ihr egal
- und den Kids eigentlich auch. Das mit der Nutte ist weniger ein Schimpfwort
als eine Feststellung. Was soll man auch sonst über ein Mädchen sagen, das im
Porsche oder im Mercedes oder irgendwelchen Limousinen von der Schule abgeholt
wird, und keine davon gehört den Eltern?
    An einem Nachmittag ist Nora bekifft, sie füllen einen blöden Fragebogen
für den Schulpsychologen aus, und unter

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