Winslow, Don
letzten Tag Ihres Lebens. Nichts für ungut, aber
ich muss sichergehen, dass Sie keine Waffen tragen.«
Callan nickt und hebt die Arme. Scachi tastet ihn routiniert ab, von oben
bis unten, dann dasselbe bei O-Bop. »Sehr gut«, sagt er. »Wie wär's mit einem
ordentlichen Lunch?«
Er geleitet sie ins Hinterzimmer des Restaurants. Callan kennt es schon.
Aus achtundvierzig bekloppten Mafia-Filmen. Wandbilder mit ländlichen Szenen
aus dem sonnigen Sizilien, ein langer Tisch mit rotkarierten Tischtüchern,
Weingläser, Espressotassen, Butterportionen auf Eis.
Flaschen mit Rotwein, Flaschen mit Weißwein.
Obwohl sie auf die Minute pünktlich sind, haben sich die Mobster schon
versammelt. Peaches, der seine Nervosität nicht verbergen kann, macht sie mit
Johnny Boy Cozzo und Demonte und ein paar anderen bekannt. Dann geht die Tür
auf, zwei Killer treten ein, massig wie Fleischerblöcke - und hinter ihnen Calabrese.
Callan wirft einen Blick auf Johnny Boy, dessen Lächeln einem Grinsen
gefährlich nahekommt. Aber alle umarmen und küssen sich auf diese sizilianische
Manier, dann nimmt Calabrese am Kopf der Tafel Platz, und Peaches übernimmt die
Aufgabe, die beiden Gäste vorzustellen.
Callan gefällt es gar nicht, dass er dabei so verängstigt wirkt.
Als Peaches ihre Namen genannt hat und zu einer Erklärung ansetzt, hebt
Calabrese die Hand und sagt: »Erst das Essen, dann das Geschäft.«
Selbst Callan muss zugeben, dass das Essen nicht von dieser Welt ist. Es
ist die Mahlzeit seines Lebens. Sie beginnt mit einem großen Antipasto - Provolone,
Prosciutto, süße rote Paprikaschoten und winzige rote Tomaten, wie sie Callan
nie zuvor gesehen hat.
Die Kellner kommen und gehen auf Zehenspitzen - wie Nonnen, die den Papst
bedienen.
Nach den Vorspeisen die Pasta. Nichts Aufregendes, nur kleine Schalen mit Spaghetti
in einer roten Sauce. Dann eine Hühnerpiccata - dünne Hühnchenbrustscheiben in
Weißwein, Zitrone und Kapern -, danach ein gegrillter Fisch. Dann noch ein
Salat und das Dessert - ein süßer weißer Kuchen, in Anisette getränkt.
Während des Essens werden die Weingläser wie von Zauberhand nachgefüllt,
und als die Kellner den Espresso servieren, ist Callan schon halb hinüber. Er
sieht Calabrese nach der Tasse greifen, genüsslich schlürfen, dann hört er ihn
sagen: »Jetzt erzählt mir, warum ich euch am Leben lassen soll.«
Eine verdammt knifflige Frage.
Am liebsten würde er schreien: Du sollst uns am Leben lassen,
weil Jimmy Piccone dir hunderttausend Dollar geklaut hat, und wir können es
beweisen! Aber er hält wohlweislich den Mund und
überlegt sich eine andere Antwort.
Da hört er Peaches sagen: »Sie sind gute Jungs, Paul.«
Calabrese lächelt. »Aber du bist kein guter Junge, Jimmy. Wenn du ein
guter Junge wärst, würde ich hier heute mit Matt Sheehan essen.«
Er beugt sich vor, nimmt O-Bop und Callan in Augenschein.
»Ich warte auf eure Antwort.«
Das tut auch Callan. Er überlegt, ob er die Antwort zu hören kriegt oder
ob er versuchen soll, an den zwei massigen Türhütern vorbeizukommen, sich die
zwei Kanonen von Beth zu holen und drauflos zu ballern.
Bis ich draußen bin und wieder zurück, denkt Callan, ist O-Bop tot. Klar,
aber ich kann ihn im vollbesetzten Bus zur Hölle schicken.
Er rutscht unauffällig zur Stuhlkante vor und nimmt die Füße nach hinten,
damit er einen Sprungstart hinlegen kann. Vielleicht Calabrese bei der Gurgel
packen, dann rückwärts zur Tür hinaus ...
Und wohin? Gibt es einen Ort, wo sie uns nicht finden? Scheiß drauf, denkt
er. Hol die Kanonen und stirb wie ein Mann.
Sal Scachi, der ihm
gegenübersitzt, schüttelt den Kopf - kaum merklich, aber deutlich genug, um ihm
zu sagen, dass er tot ist, wenn er sich noch einen Millimeter weiterbewegt.
Callan bleibt still sitzen.
Was sich wie Stunden anfühlt, sind in Wirklichkeit nur ein paar Sekunden
in der - wie soll man sagen - angespannten Atmosphäre des Raums, und Callan
ist wahrhaft überrascht, als er O-Bops dünne Stimme flöten hört: »Sie sollten
uns am Leben lassen, weil...«
Weil, ähhhhhhh...
»... weil wir viel mehr für Sie tun können als Sheehan«, befreit ihn
Callan aus seiner Verlegenheit. »Wir können Ihnen einen Anteil am Javits
Center bieten, die Ortsverbände von Bau und Transport. Kein Schluck Beton wird
bewegt, ohne dass Ihnen ein Teil davon gehört. Sie kriegen zehn Prozent von
allen Zinsen, die wir eintreiben, und wir kümmern uns um alles. Sie müssen
keinen Finger
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