Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winter

Winter

Titel: Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Marsden
Vom Netzwerk:
entscheiden.
Nach ein paar hundert Metern hörte ich hinter mir ein scharrendes Geräusch. Ich drehte mich um. Auf dem Grasstreifen am Wegrand kam der Junge von neulich daher. Er saß auf einem großen, diesmal allerdings grauen Pferd und kam ziemlich schnell und mit einem Grinsen im Gesicht auf mich zugeritten.
»Hallo«, rief er und fing bereits zu lachen an. Zweifellos war ihm eingefallen, wie lächerlich ich mich bei unserer ersten Begegnung gemacht hatte.
»Wie geht’s?«
Er hatte mich eingeholt und verlangsamte das Pferd auf mein Tempo. Ich musste ein zweites Mal anerkennen, wie gut er mit Pferden umging. Dieses sah wenigstens sanftmütiger aus.
»Mmm«, presste ich zwischen den Zähnen hervor. Ich würde ihn zu nichts ermuntern. Mir war nicht nach einem selbstgefällig grinsenden Kerl, der mit seinen Reitkünsten angab. Ganz zu schweigen von seinen Künsten, ein Mädchen anzumachen, das er nicht einmal kannte.
»Und, hast du in letzter Zeit wieder eine Besitzstörung begangen?«
So ein Vollidiot. Das ist ja unerträglich, dachte ich und beschloss, ihn eiskalt und mit ernster und vollkommener Höflichkeit abblitzen zu lassen… na gut, vielleicht mit einem klitzekleinen Anflug von Sarkasmus.
»Tut mir Leid, dass ich auf eurem Land war. Das war keine Absicht. Ich werde dafür sorgen, dass ordentliche Zäune aufgestellt werden, damit das nicht noch einmal vorkommt.«
»Um Himmels willen«, lachte er. »Hab ich wirklich so schlimm geklungen? Noch mehr Zäune wären schrecklich. Das ist nicht gut für die Kängurus.«
Darauf fiel mir keine Antwort ein. Er war wirklich unmöglich. Ich ging schweigend weiter. Er blieb auf meiner Höhe.
Nach einer Weile fragte er: »Reitest du?«
»Nein.«
»Echt nicht? Aber deine Mutter hat doch den Garryowen gewonnen.«
Hätte ich jedes Mal zehn Dollar bekommen, wenn mir jemand das sagte, hätte ich das Grundstück dieses Knaben kaufen können und wäre ihn ein für alle Mal los gewesen.
»Ja, nur bin ich nicht meine Mutter, falls dir das noch nicht aufgefallen ist.«
»Entschuldige. Du hast Recht. Das war eine blöde Bemerkung.«
Mist, dachte ich. Einfühlsam ist er auch noch. Das ist so ziemlich das Letzte, was ich brauchen kann.
Wir gingen ein paar hundert Meter weiter, wobei ich immer mehr das Gefühl hatte, bei dieser Sache gar nicht gut auszusteigen. Okay, mir war schon klar, dass ich ein Ekel der Marke X-large sein konnte, im Allgemeinen bemühte ich mich aber das nicht zu zeigen.
Er durchbrach das Schweigen.
»Also dann. Ich muss weiter. Ich soll bis Mittwoch drei Aufsätze schreiben und hab noch nicht einmal angefangen. Aber hör mal, Winter, ich hab dich unlängst ziemlich auf die Schippe genommen und das tut mir Leid, du musst aber zugeben, dass du darum gebeten hast.«
Jetzt lachte er schon wieder, als wäre Lachen etwas, das er nicht vermeiden konnte. Erst recht nicht, wenn ich der Grund war.
»Ja, also, ich würde dich gerne ein bisschen besser kennen lernen«, fuhr er fort. »Das Durchschnittsalter in diesem Distrikt liegt bei dreiundneunzig. Seit du wieder hier bist, stimmt die Statistik zum Glück nicht mehr. Wenn du also ein paar Leute treffen möchtest, kannst du mich ja anrufen. Ich meine, nur, wenn du möchtest. Kommenden Freitag fährt eine ganze Gruppe von uns nach Exley. Dort läuft gerade Die Nacht der langen Messer. Komm doch mit. Ich könnte dich mitnehmen. Hast du ein Auto?«
»Ich hab noch nicht mal den Führerschein.«
»Ach so. Wie alt bist du denn? Sechzehn?«
»Ja.«
»Interessiert dich der Film? Freitag Abend?«
»Mal sehen. Vielleicht rufe ich dich an.«
»In Ordnung. Cool.«
Als er sich aus dem Sattel hob, um das Pferd in Bewegung zu setzen, sagte ich: »Es wäre leichter, wenn ich wüsste, wie du heißt.«
»Was? Na klar!« Er lachte. »So was Blödes. Ich heiße Matthew. Matt Kennedy. Die Telefonnummer findest du am ehesten im Branchenverzeichnis. Unter Rennställe. Das ist einfacher, als sie dir jetzt zu merken. Oder sonst nimmst du die Nummer von Ralph und Sylvia und zählst drei dazu. Ihre endet mit fünf, unsere mit acht.«
»Okay. Danke.«
Er winkte mir kurz zu und trieb das Pferd zu einem leichten Galopp an. Auch das machte er gut. Kein Ferseneinsatz, nichts Aufregendes. Ich reite nicht, aber ein wenig kenne ich mich aus und ich kann einen guten Reiter von einem schlechten unterscheiden.
Wenn ich einen Reiter wie Matthew sah, dachte ich, ich sollte es auch versuchen, wünschte mir, ich könnte so gut werden. Ich wusste aber auch, warum

Weitere Kostenlose Bücher