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Winter

Winter

Titel: Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Marsden
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ich es nie probiert hatte. Das Risiko, mit der großen Phyllis De Salis verglichen zu werden, würde ich nicht eingehen. Es ist schon schwer genug, eine Legende zu übertreffen, vor allem wenn sie tot ist, und dann noch die eigene Mutter!
Und doch gab es in meiner Sammlung an unscharfen Bildern mehrere klare Erinnerungen an mich auf einem Pferd. Auf einem scheinbar gigantischen Pferd, auch wenn es das sicher nicht war, aber in den Augen einer Vierjährigen musste jedes Pferd wie ein Koloss aussehen.
Auf dem Rückweg nach Warriewood ging mir Matthew nicht aus dem Kopf. Matthew Kennedy. Schöner Name. Es ärgerte mich, dass ich ihm bereits zweimal begegnet war und er sich beide Male nicht die Spur danebenbenommen hatte. Er hatte nichts gesagt, was sarkastisch, aggressiv oder gemein gewesen wäre. Im Gegenteil, wenn jemand für diese Kategorien zuständig war, dann schon eher ich. Er war gut gelaunt und freundlich und er sah gut aus. Okay, für Letzteres konnte er nichts, für die anderen Eigenschaften aber sehr wohl. Er schien ja nicht einmal verstimmt, als ich seine Einladung für Freitag ganz beiläufig abtat. Das Problem war, dass er jedes Mal auf einem Pferd saß und dadurch im Vorteil war.
Von da aus konnte er zu leicht auf mich herabsehen. Beim nächsten Mal, falls es dazu überhaupt kam, mussten wir einander auf gleicher Ebene begegnen.
11
    Als ich am Samstagmorgen immer noch keine Nachricht von Mr Carruthers hatte, war ich entsprechend verärgert. Ich war unruhig, hatte nicht wirklich was zu tun und beschloss wieder spazieren zu gehen. Wenn ich so weitermachte, würde ich kein Fitnesszentrum mehr brauchen.
    Diesmal wusste ich zwar, wo ich hinwollte, aber ich ging in dem Bewusstsein los, dass es kein gewöhnlicher Spaziergang sein würde, denn ich würde ihn fast, aber eben nicht ganz vollenden und dann unverrichteter Dinge wieder heimkehren.
    Merkwürdig, wie ich Warriewood in Gedanken bereits »Heim« nannte, noch dazu so mühelos und unbefangen. Bei den Robinsons wäre es mir nicht eingefallen, ihr Haus als mein Heim zu bezeichnen, es sei denn, es rutschte mir heraus.
    Es war ein kalter Morgen. Jeder Tag schien kürzer als der vorhergehende, die Dämmerung kam immer rascher und die Blätter auf den Bäumen verfärbten sich bereits. Nicht weit vom Haus wuchs ein japanischer Ahorn, dessen Grün in ein leuchtendes Violett übergegangen war. Ich liebte den Anblick seiner kräftigen wunderschönen Farben und dazu den grauen Herbsthimmel als Hintergrund.
    Ich legte ein ziemliches Tempo ein, hielt die meiste Zeit den Kopf gesenkt und achtete kaum auf meine Umgebung. Um ehrlich zu sein, lauschte ich mit einem halben Ohr, ob hinter mir das rasche Trappeln eines Pferdehufs auftauchen würde, was aber nicht der Fall war. Mehrere Autos und ein Laster fuhren an mir vorbei und bei einigen Fahrern hatte ich den Eindruck, dass sie mich regelrecht angafften. Mittlerweile durfte sich herumgesprochen haben, dass das De-SalisMädchen wieder da war. Außerdem war anzunehmen, dass Ralph sie jeden Abend im Pub mit Schilderungen meines sonderbaren Benehmens unterhielt.
    Bis zu Großtante Ritas Einfahrt benötigte ich ungefähr fünfunddreißig Minuten. Die Gegend war inzwischen ganz anders geworden. Hier unten war der Boden größtenteils gerodet und jedes zweite Anwesen schien ein Reitstall zu sein. Das Land war flach und eindeutig trockener. Offenbar genügte schon der geringe Höhenunterschied, damit es viel weniger regnete. Jedenfalls gefiel mir die Gegend hier unten nicht annähernd so gut wie Warriewood.
    Bannockburn hatte etwas Imposantes. Hätte mich nicht schon die Art und Weise, wie die Leute über Tante Rita sprachen, und meine eigene Scheu vor einer Begegnung mit ihr völlig verschreckt, dann hätte spätestens diese Einfahrt den Job erledigt, und zwar gründlich. Das Tor bestand aus zwei hohen weißen Säulen, einem ebenfalls hohen und weißen Lattenzaun und einer langen von Fichten gesäumten Kieseleinfahrt. Das Haus war von hier aus nicht einmal sichtbar, aber wenn es der Einfahrt auch nur annähernd entsprach, dann musste es aussehen wie eines der Häuser in Vom Winde verweht.
    Ich schlich ein paar Meter weiter und spähte die Einfahrt entlang. Immer noch nichts zu sehen. Also gut, dachte ich, dann gehe ich eben so weit, bis ich das Haus zu sehen bekomme.
    Dazu musste ich jedoch noch fast einen Kilometer zurücklegen. Unglaublich. Großtante Rita hätte eigentlich Imposantetante Rita heißen sollen. Als ich das Haus

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