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Winter

Winter

Titel: Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Marsden
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Richtung man geht, wenn die Wege nicht völlig zugewachsen sind, sind sie erodiert. Noch ein paar Jahre und die Wasserläufe hinter dem Haus sehen aus wie der Grand Canyon. Die halben Zäune sind eingestürzt, die Abflusskanäle sind voller Laub und sonstigem Dreck, die Kanalisation ist dermaßen verstopft, dass das Wasser einen Reisepass braucht um durchzukommen. Und dann die Gräber meiner Eltern. Mann! Noch ein paar Jahre und ich hätte sie nicht einmal mehr gefunden. Dann dieses…«
»Ich kann verstehen, dass du wegen der Gräber verärgert bist«, warf Mr Carruthers glatt wie immer ein.
Wart’s ab, dachte ich, das wird dir auch noch vergehen. Doch ohne auf seinen Einwand einzugehen, redete ich einfach weiter.
»Dieses Haus, der Hof. Sehen Sie ihn sich doch an! Schauen Sie sich doch um! Ich habe Ihnen schon gesagt, was ich davon halte. Aber was ist nun mit der Einrichtung? Ralph erzählt mir irgendeinen Quatsch von wegen Holzwürmer und Wasser, das durch die Decke kommt. Und das soll ich glauben? Für wie blöd hält er mich eigentlich? Eine komplette Einrichtung, die sich einfach in Luft auflöst? Betten, Schränke, Tische, Stühle. Ich kenne doch die Fotos. Ich weiß genau, wie die Möbel aussahen. Das waren wertvolle Sachen, schöne Sachen. Meine Eltern hatten Geschmack. Sie haben das Haus mit Antiquitäten eingerichtet. Und jetzt ist nichts mehr da. Sie müssen es…«
»Moment«, unterbrach mich Mr Carruthers neuerlich. Er fing an nervös zu werden. »Man mag von Ralph und Sylvia halten, was man will, aber sie sind ehrliche Leute. Ich glaube nicht, dass du sie beschuldigen kannst… ich meine, dass sie… nein, das würden sie nicht…«
»Ach nein?«, erwiderte ich. »Dann erklären Sie mir eines: Wie viel Geld ist in den letzten Jahren durch den Verkauf von Holz in den Nachlass geflossen?«
»Holz? Welches Holz? Damit ist noch nie etwas eingenommen worden. Der Hof war immer eine Viehwirtschaft, das weißt du doch, und was die verbleibende Vegetation anlangt, wollten deine Eltern nicht…«
»Jetzt hören Sie mir mal zu«, sagte ich so brutal, wie ich nur konnte. »Ralph und einer seiner Kumpel haben im westlichen Teil da oben eine riesige Fläche dieser verbleibenden Vegetation einfach abgeholzt. Sie karren das Zeug mit dem Laster weg. Ich hab sie bei der Arbeit gesehen. Gestern waren sie mit einem Sattelschlepper und einem Gabelstapler dort oben und haben wieder eine Ladung weggeschafft. Und das geht seit Jahren so. Sie brauchen sich ja nur die vielen Baumstümpfe anzusehen.«
Mr Carruthers starrte mich an. In dem Moment dachte ich, der Typ ist entweder in Ordnung oder er ist ein echt guter Schauspieler.
»Das ist ja unglaublich«, sagte er. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, nahm seine Brille ab und starrte mich an. »Winter, wenn das wahr ist, wenn das wirklich passiert ist, kann ich nur sagen…«
»Es ist wahr. Es ist passiert.«
»Du weißt wahrscheinlich, dass der Busch auf diesem Grundstück geschützt ist. Vertraglich geschützt. Niemand, nicht einmal du, darf hier Holz schlagen. Das wäre illegal.«
»Ralph erzählte mir was von einer Feuerschneise. Noch so eine Quatschgeschichte. Das ist keine Schneise. Die haben eine riesige Fläche Busch zerstört. Wahrscheinlich dachten sie, dass es dort oben niemandem auffällt.«
»Also, ich weiß noch immer nicht, was ich sagen soll. Das ist eine sehr ernste Angelegenheit. Ich muss mit Sylvia und Ralph sprechen. Und mich vielleicht erkundigen. Ich sollte…«
»Genau«, sagte ich, »sprechen Sie mit Sylvia und Ralph. Und richten Sie ihnen Folgendes aus: Sie sind entlassen. Gefeuert. Ich will, dass die beiden bis fünf Uhr Nachmittag das Grundstück verlassen haben.«
Jetzt hatte ich ihn so weit. Sein Kiefer sackte nach unten und sein Mund geriet völlig außer Kontrolle. Er sah aus wie eine wiederkäuende Kuh, als schöbe er irgendetwas in seinem Mund von einer Seite zur anderen. Dazu zuckte sein Nacken, als steckte ihm ein Hühnerknochen im Hals.
Ich wartete einfach ab. Was ich da tat, jagte mir selbst einen gehörigen Schrecken ein und ich schwitzte wie ein Schwein in der Sauna, aber auf eine seltsame Art genoss ich es auch.
»Winter, das kannst du nicht tun«, stieß er endlich hervor. »Oh doch, das kann ich.«
»Nein, nein. Das ist keine Privatangelegenheit zwischen dir und deinen Verwandten oder Freunden. Das ist etwas ganz anderes. Ganz anders. Man muss dabei alle möglichen rechtlichen Schritte überlegen. Das braucht seine Zeit. Sie leben

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