Winter
der auf Ulsgaard wohnte, lieà sich nicht drängen. Er war für zehn Wochen gekommen, und die blieb er. Und während dieser Zeit war er mehr Herr, als Christoph Detlev Brigge es je gewesen war, er war wie ein König, den man den Schrecklichen nennt, später und immer.
Das war nicht der Tod irgendeines Wassersüchtigen, das war der böse, fürstliche Tod, den der Kammerherr sein ganzes Leben lang in sich getragen und aus sich genährt hatte. Alles Ãbermaà an Stolz, Willen und Herrenkraft, das er selbst in seinen ruhigen Tagen nicht hatte verbrauchen können, war in seinen Tod eingegangen, in den Tod, der nun auf Ulsgaard saà und vergeudete.
Wie hätte der Kammerherr Brigge den angesehen, der von ihm verlangt hätte, er solle einen anderen Tod sterben als diesen. Er starb seinen schweren Tod.
Werke VI (Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge), 713-720ââÂ
Was in Malte Laurids Brigge (verzeihen Sie, wenn ich dieses Buch nochmals nenne, da es nun gerade zwischen uns zum Anlaà geworden ist) ausgesprochen eingelitten steht, das ist ja eigentlich nur dies , mit allen Mitteln und immer wieder von vorn und an allen Beweisen dies: Dies , wie ist es möglich zu leben, wenn doch die Elemente dieses Lebens uns völlig unfaÃlich sind? Wenn wir immerfort im Lieben unzulänglich, im EntschlieÃen unsicher und dem
Tode gegenüber unfähig sind, wie ist es möglich dazusein? Ich bin nicht durchgekommen, in diesem unter der tiefsten inneren Verpflichtung geleisteten Buch, mein ganzes Staunen auszuschreiben darüber, daà die Menschen seit Jahrtausenden mit Leben umgehen (von Gott gar nicht zu reden) und dabei diesen ersten unmittelbarsten, ja genau genommen einzigen Aufgaben (: denn was haben wir anderes zu tun, noch heute und wie lange noch?) so neulinghaft ratlos, so zwischen Schrecken und Ausrede, so armsälig gegenüberstehen. Ist das nicht unbegreiflich? Meine Verwunderung über diese Tatsache drängt mich, sooft ich mich ihr überlasse, zunächst in die gröÃte Bestürzung hinein und weiter in eine Art Grauen, aber auch hinter dem Grauen ist etwas Nächstes und Ãbernächstes, etwas so Intensives, daà ich mit dem Gefühl nicht zu entscheiden vermöchte, ob es glühend oder eisig sei. Ich habe schon einmal, vor Jahren, über den Malte jemandem, den dieses Buch erschreckt hatte, zu schreiben versucht, daà ich es selbst manchmal wie eine hohle Form, wie ein Negativ empfände, dessen alle Mulden und Vertiefungen Schmerz sind, Trostlosigkeiten und weheste Einsicht, der Ausguà davon aber, wenn es möglich wäre einen herzustellen (wie bei einer Bronze die positive Figur, die man daraus gewönne) wäre vielleicht Glück, Zustimmung; â genaueste und sicherste Seligkeit. Wer weiÃ, ich frage mich, ob wir nicht immer sozusagen an der Rückseite der Götter herantreten, von ihrem erhaben strahlenden Gesicht durch nichts, als durch sie selber getrennt, dem Ausdruck, den wir ersehnen, ganz nah, nur eben hinter ihm stehend â aber was will das anderes bedeuten, als daà unser Antlitz und das göttliche Gesicht in die selbe Richtung hinausschauen, einig sind; und wie sollen wir demnach aus dem Raum, den der Gott vor sich hat, auf ihn zutreten?
Verwirrt es Sie, daà ich Gott sage und Götter und mit diesen Satzungen (genau wie mit dem Gespenst) um der Vollzähligkeit willen umgehe, meinend, es müsse sich auch für Sie dabei gleich etwas denken lassen? Aber nehmen Sie Ãber-Sinnliches an. Verständigen wir uns darüber, daà der Mensch seit seinen frühesten Anfängen Götter gebildet hat, in denen da und dort nur das Tote und Drohende und Vernichtende und Schreckliche, die Gewalt, der Zorn, die überpersönliche Benommenheit, enthalten waren, verknotet gleichsam zu einem dichten bösartigen Zusammengezogensein: das Fremde, wenn Sie wollen, aber in diesem Fremden schon gewissermaÃen zugegeben, daà man es gewahrte, ertrug, ja anerkannte um einer gewissen, geheimnisvollen Verwandtschaft und Einbeziehung willen: man war auch dies , nur, daà man vor der Hand mit dieser Seite des eigenen Erlebens nichts anzufangen wuÃte; sie waren zu groÃ, zu gefährlich, zu vielseitig, sie wuchsen über einen hinaus, zu einem Ãbermaà von Bedeutung an; es war unmöglich, neben den vielen Zumutungen des auf Gebrauch und Leistung eingerichteten Daseins,
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