Winter auf Italienisch
wie
Lakritz. Es war noch nass, und er hatte es zurückgekämmt. Ich schämte mich ein
bisschen, ihm so verschlafen und blass gegenübertreten zu müssen. Doch als ich
sah, wie freudig seine Augen aufblitzten, als er sich umdrehte und feststellte,
dass ich wach war, vergaß ich meine Selbstzweifel.
Er trat zu mir, beugte sich vor und
küsste mich auf die Stirn. »Buon giorno, amore!«, sagte er. Eine feuchte
Haarsträhne hatte sich gelöst und fiel auf mein Gesicht. Wie gut er roch.
»Wie spät ist es denn?«, fragte ich und
griff nach meiner Armbanduhr auf dem Nachttisch.
»Erst sieben Uhr.«
»Du kannst also noch in Ruhe duschen
gehen«, sagte er.
»Wäre wohl besser«, grinste ich.
»Es war meraviglioso, einfach
wundervoll«, sagte er und ich errötete. Mein Unterleib zog sich wohlig
zusammen, als ich an unsere gemeinsam verbrachte Nacht dachte. Am liebsten
hätte ich das augenblicklich wiederholt. Ich sah Mattia in die Augen. Eindeutig
dachte er dasselbe.
Trotzdem erhob ich mich, denn das Wetter
versprach schön zu werden, und nach Mattia liebte ich das Skifahren fast ebenso
sehr. Ich suchte Unterwäsche aus dem Schrank und machte mich auf ins Bad.
Das Wasser belebte mich und als ich
schließlich fertig eingecremt und frisiert in meiner cremefarbenen
Seidenunterwäsche aus dem Bad kam, erntete ich bewundernde Blicke. Mattia lag
fertig angezogen auf dem Bett und hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt.
»Ich liebe deine Haut, so rein und hell,
wie ein Mozarella«, sagte er.
Ich zog die Stirn in Falten.
»Es ist nicht schön, weiß wie ein
Mozarella zu sein«, gab ich zurück. »Es ist schön, wenn man wie du
karamellfarbene Haut auch im Winter vorweisen kann.«
Er lachte. »Aber hier sind alle
karamellfarben, wie du es nennst. So reine Haut und ein so helles Braun, wie
dein Haar es hat, findet man in Italien nur selten. Und daher ist es besonders,
verstehst du?«
Ich nickte. »Ich werde versuchen, mich in
Zukunft auch aus dieser Perspektive zu sehen.«
»Das solltest du unbedingt«, sagte er
ernst.
Cinzia, Giacomo, Elisabeta und Marco
saßen schon beim Frühstück, als wir im Speisesaal eintrafen.
»Buon giorno!«, riefen wir einander alle
gleichzeitig zu. Erst als der Kellner das Frühstück brachte, merkte ich, wie
hungrig mich die letzte Nacht gemacht hatte.
»Und?« Giacomo sah in die Runde. »Habt
ihr so alle besser schlafen können?«
Marco grinste. »Besser schon, aber
geschlafen haben wir nicht so viel.«
Alle lachten und Elisabeta wurde rot wie
eine Tomate.
Mit zerknautschtem Gesicht trat
schließlich auch Mafalda an den Tisch. Ihr roter Haarschopf wirkte noch frecher
als gewöhnlich.
»Wie ich sehe, ist mein Schwesterherz
überhaupt nicht zum Schlafen gekommen«, stellte Giacomo trocken fest. »Wo hast
du denn nur Filippo gelassen?«
»Na, den habe ich natürlich so fertig
gemacht, dass er sich erst noch unter der Dusche erholen muss«, sagte sie an
ihren Bruder gewandt, machte ihm eine lange Nase und griff nach dem Becher mit
Cafélatte, den der Kellner sofort serviert hatte.
Der Tag wurde ebenso schön und erlebnisreich
wie der vorherige. Die Sonne lachte vom Himmel, und als wir uns auch heute
wieder zum Mittagessen auf der Restaurantplattform versammelten, hatte Cinzia
schon so gute Fortschritte gemacht, dass sie am Nachmittag gleich zwei Mal mit
uns zusammen abfuhr. Wieder im Hotel, schliefen wir alle eine Stunde, nahmen
gemeinsam das Abendessen ein und spielten noch ein paar Runden Karten.
Schließlich hatten wir keine rechte Lust mehr. Filippo fand zwischen einem
Stapel Zeitschriften einen Flyer über unseren Urlaubsort, in den er sich
augenblicklich vertiefte.
»Hört mal, ragazzi! Wusstet ihr, dass
dieser Ort erst vor 200 Jahren entdeckt wurde?«
Alle schüttelten die Köpfe.
»Das alles hier war nichts als eine große
Alm damals. Man musste viele Stunden Fußmarsch zurücklegen, um hier überhaupt
anzukommen. Das taten natürlich nur die, die zum Matterhorn hinaufsteigen
wollten. In den 30er Jahren gab es dann die ersten kleinen Gebäude hier. Der
Ort war so schön, dass immer wieder Bergleute und Forscher den weiten Weg auf
sich nahmen. Von Chatillion aus brauchte man ganze zwei Tage mit dem Maultier
hierher.«
Ich wusste zwar nicht genau, wo
Chatillion lag, aber die Geschichte dieses Ortes zu hören, interessierte mich.
»1934 wurde die Società Cervinia
gegründet und 1936 die erste Seilbahn erbaut«, fuhr Filippo fort.
»Damit
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