Winter auf Italienisch
verschwand ich im
Bad.
Meine Haare waren noch feucht, als ich
mir den Fleecepullover über den Kopf zog. Ich schloss den Knopf meiner Jeans
und fragte mich, ob Signora Caruso sie zu heiß gewaschen hatte oder ob ihre
Kochkünste schon erste Erfolge auf meinen Hüften feierten. Ich musste einfach
lernen, nein zu sagen. Sie würde mich sonst mästen wie ein Hausschwein. Den
anderen Familienmitgliedern gelang es schließlich auch, schlank zu bleiben,
wenn ich auch nicht wusste, wie.
Ich gönnte mir einen Becher Café Latte
und zwei Stücke Gebäck, das sich auf einem Servierteller vor mir auftürmte, und
unterhielt mich mit ihr über die Reise. Dafür unterbrach sie sogar ihre Arbeit
und setzte sich zu mir. Nur kurz natürlich. Dann fiel ihr ein, dass sie noch
gar nicht den Sugo für das Mittagessen aufgesetzt hatte.
Ich nutzte die Gelegenheit, mich wieder
in Mafis Zimmer zu verkriechen. Ich setzte mich an den Schreibtisch und wollte
mir gerade noch einmal die Urlaubsbilder ansehen, als mein Handy klingelte.
Überrascht sah ich auf. Ich wusste nicht
gleich, wo ich es abgelegt hatte, fand es dann aber in meiner Jacke, die hinter
mir über dem Stuhl hing. Als ich es endlich in meinen Händen hielt und das
Gespräch annehmen wollte, schaltete sich die Mailbox ein. Mist! Wieder mal
nicht geschafft.
Als ich sah, dass die Nachricht von
Mattia kam, begann mein Herz vor Aufregung zu rasen. Woher hatte er überhaupt
meine Nummer? War er nicht um diese Zeit bei der Arbeit? Konnte ich da einfach
so anrufen? Er wollte mir doch hoffentlich keine schlechten Neuigkeiten
überbringen? Ich versuchte, mich zu entspannen und mir erstmal die Fotos
anzusehen. Es gelang mir aber nicht. So legte ich sie beiseite und hörte meine
Mailbox ab.
»Ciao, Tanina! Ich hoffte, du wärst schon
wach. Ich bin bei der Arbeit, konnte es aber einrichten, mir noch ein paar Tage
frei zu nehmen. Wenn du mich also immer noch sehen möchtest, dann warte ich
hier auf dich. Mein Auto hat sich nämlich heute Morgen leider mein Bruder
geborgt, ohne mich vorher gefragt zu haben.«
Mattia nannte noch eine Adresse, dann
folgte eine kurze Pause. »Ti voglio tanto bene! Ich habe dich sehr lieb!«,
fügte er noch hinzu. Dann wurde aufgelegt.
»Möchten Sie diese Nachricht löschen,
dann drücken Sie bitte die 1«, holte mich die Computerstimme zurück auf den
Boden. Herrgott, nein! Natürlich wollte ich sie nicht löschen. Sie war nach
seinem Foto mein kostbarstes Erinnerungsstück. Und wenn ich in Hamburg
irgendwie überleben wollte, musste ich sammeln, was ich kriegen konnte. Ich
drückte die Taste Zwei und rief die Mailboxnachricht noch einmal ab, damit ich
mir die Adresse notieren konnte. Zettel gab es reichlich auf Mafaldas
Schreibtisch, einen Stift fand ich in der Schublade. Ich kannte die Straße.
Ohne weiter darüber nachzudenken, schnappte ich mir meine Jacke, stopfte das
Handy wieder hinein und prüfte, ob ich mein Portemonnaie und die
Fahrzeugpapiere dabei hatte. Bevor ich in meine Wildlederstiefel schlüpfte,
schaute ich noch einmal bei Signora Caruso rein.
»Mattia hat mich angerufen. Er hat seinen
Urlaub verlängert, damit ich nicht so allein bin tagsüber. Er wird mir ein
bisschen die Stadt zeigen. Ist das o.k.? Ich werde pünktlich zum Abendbrot
zurück sein«, fügte ich noch beschwichtigend hinzu.
»Ah, der Mattia!«, sagte sie und wischte
sich die Hände an der Schürze ab. Was kam denn jetzt, fragte ich mich.
»Ist das nicht der Freund von Giacomo,
der Commercialista? Der mit dem Steuerberaterbüro?«
»Sì, Signora!«
»Ein feiner junger Mann.« Sie lächelte
versonnen.
»Allora, na, dann wünsche ich euch zweien
viel Spaß.«
Sie zwinkerte mir zu, wandte sich dann
aber wieder ihrem Kochtopf zu.
Ich wartete gar nicht erst auf den
Fahrstuhl, sondern nahm die Treppen, immer zwei Stufen auf einmal. Ein
Knopfdruck auf die Fernbedienung, und mein Golf zeigte mir durch zweimaliges
Blinken an, wo ich ihn abgestellt hatte. Obwohl es recht kalt war, ließ er sich
problemlos starten und so fädelte ich mich in das italienische Straßenchaos
ein.
Fünfzehn Minuten später drückte ich auf
den Klingelknopf des Steuerberaterbüros Buratti & Fratelli. Ein Summen
zeigte mir an, dass ich eintreten konnte. Dann stand er endlich vor mir: sein
Lächeln, seine Augen, sein Haar. Augenblicklich bekam ich weiche Knie. In dieser
sterilen Atmosphäre traute ich mich nicht, ihm um den Hals zu fallen. Also
begnügten wir uns
Weitere Kostenlose Bücher