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Winter auf Italienisch

Winter auf Italienisch

Titel: Winter auf Italienisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joleen Carter
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Beifahrersitz guckte, fand ich einen CD mit einem
Zettel darauf.
    »Damit du beim Fahren besser weinen
kannst :-), Ciao Giaco«, stand darauf. Dieser Idiot, dachte ich, war aber
gleichzeitig gespannt, was er mir da zusammengestellt hatte.
    Doch zunächst musste ich tanken. Vor und
hinter dem Gran San Bernado Tunnel befand sich jeweils eine Tankstelle. Auf der
Hinfahrt nahm ich immer die vor dem Tunnel, auf Schweizer Seite, auf der
Rückfahrt tankte ich in Italien. Ein großer Rastplatz mit Self Service
Restaurant lud noch einmal zum Essen ein. Doch ich brauchte nichts. Signora
Caruso hatte mir genug Essen für eine Woche eingepackt. Ich fuhr also direkt an
die Zapfsäule.
    »50 Euro, per favore!«, sagte ich und
reichte dem Tankwart einen Geldschein. Ich wartete, bis der Tank voll war und
beschloss, doch noch einmal zu parken und die Toilette aufzusuchen. Schon
mehrfach hatte ich beim Durchfahren der Schweiz die Erfahrung machen müssen,
dass die Toiletten geschlossen waren, besonders nachts und in den
Morgenstunden.

 
    Als ich wieder zu meinem Golf zurückkam, parkte
ein schwarzer Wagen daneben. Ein schwarzer Alfa Romeo. Ich schlug die Hand vor
den Mund, um nicht laut aufzuschreien vor Freude, als Mattia ausstieg. Ich flog
ihm in die Arme und er wirbelte mich herum.
    »Ich konnte die ganze Nacht nicht
schlafen«, sagte er. »Ich musste dich einfach noch einmal sehen. Und da ich
gerade nichts Besseres vorhatte, dachte ich mir, du musst sicher noch einmal
tanken.«
    Wir standen zwischen unseren Autos und
küssten und drückten uns, als ob es kein Morgen gäbe. Denn es gab kein Morgen.

 
    Schließlich war auch der letzte Moment
voll ausgekostet, und ich musste dringend los, wenn ich die deutsche Grenze
noch bei Tageslicht erreichen wollte. Ich hatte meiner Mutter angekündigt, bis
zum späten Abend in Hamburg eingetroffen zu sein. Leider musste ich morgen früh
schon arbeiten. Egal, wann ich ankam.
    Ein allerletztes Mal sah ich Mattia im
Rückspiegel. Er winkte, bis ich endgültig aus seinem Sichtfeld verschwand.
    Schon kurz darauf passierte ich ohne
Probleme die Grenze. Ich hatte Italien verlassen. So einfach war das.

 
    In anderer Fahrtrichtung gefiel mir der
Gran San Bernardo Tunnel erheblich besser. Auch die Tankstelle, an der ich bei
jeder Hinfahrt anhielt, um noch einmal zu tanken und auf Toilette zu gehen. Das
erwartungsvolle Magenkribbeln blieb auf dem Rückweg aus. Stattdessen war aus
meinem Magen ein verkrampfter Klumpen geworden, der schmerzte. Lustlos griff
ich nach einem der langen Grissini, die aus dem Korb, den Signora Caruso mir
mitgegeben hatte, herausragten. Mir fiel die CD wieder ein. Ohne hinzusehen,
schob ich sie in den dafür vorgesehenen Schlitz am Radio und wartete.

 
    Es begann mit einem italienischen Song,
der Silvester mehrfach in der Tanzbar gespielt worden war. Wir hatten alle
mitgesungen. Mein Magen krampfte sich noch mehr zusammen. Dann das langsame
Lied, zu dem ich mit Mattia so eng getanzt hatte. Die ersten Tränen rollten mir
über die Wangen. Es folgten weitere Lieder, deren Namen ich nicht kannte, die
mich aber unweigerlich an meinen wundervollen Skiurlaub erinnerten.
    Wie mechanisch fuhr ich durch die
Schweiz, ließ die Alpen immer weiter hinter mir zurück. Um 17 Uhr erreichte ich
Basel und kurz darauf hatte mich Deutschland zurück: vertraute Nummernschilder,
blaue Autobahnschilder, akkurater, aggressiver Fahrstil.

 
    Ab Frankfurt ging es nur noch geradeaus.
Dann erschien erstmals Hamburg auf den Schildern. Die ganze Zeit hörte ich nur
diese eine CD. Zwar weinte ich nicht mehr und auch für Signora Carusos
Leckerbissen war ich irgendwann hungrig genug, dennoch ließ ich in Gedanken
immer und immer wieder meine Erlebnisse mit Mattia Revue passieren. Ich konnte
an nichts anderes denken, als an ihn und seine Berührungen. Wie sollte ich so
nur zu meinem Alltag zurückkehren?

 
    Gegen 23 Uhr erreichte ich Hamburg und
fuhr direkt in unsere Tiefgarage. Ich ließ alles, wie es war. Eine halbe Stunde
später lag ich in meinem Bett. Meine Mutter schlief schon, ich schaute nur kurz
bei ihr rein, damit sie beruhigt war. Ich schaffte es gerade noch,   meinen Wecker auf sieben Uhr einzustellen,
dann fiel ich ein einen tiefen und traumlosen Schlaf.

Kapitel 23

 
    Eine schwere Zeit hatte für mich
begonnen. Vom Leben bekam man nichts geschenkt. Vermutlich, weil ich zuvor eine
so perfekte und wundervolle Zeit erleben durfte, musste ich mich nun mit
Sehnsuchts- und

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