Winter auf Italienisch
ins Wohnzimmer.
Während die anderen noch weiterspielten,
nahm Mattia mich an die Hand und führte mich in Mafis Zimmer. Niemand hielt uns
davon ab. Selbst Signora Caruso tat so, als habe sie es nicht bemerkt.
Als wir ungestört waren, nahm Mattia mein
Gesicht in beide Hände. Sanft küsste er mir die Tränen fort und wischte dann
mit dem Daumen die Reste des Kajals ab. Leidenschaftlich küsste er all meine
Zweifel fort. Ich ließ mich ganz auf das Spiel unserer Zungen ein, presste mich
an ihn, wollte ihn wenigstens so noch einmal spüren. Dann ließ er vorsichtig
von mir ab.
»Signor Caruso hat recht«, sagte er leise
und küsste mich erneut auf den Mund. »Wir werden das schaffen! Es wird einen
Weg geben. Und es gibt Telefone und das Internet. Das ist nicht so wie dich in
meinen Armen zu halten, aber es ist auch nicht nichts. Vero? Habe ich recht?«
»Nein, es ist gar nicht dasselbe.«
Diesmal küsste ich ihn zuerst. »Aber, ja, du hast recht. Im Moment ist es, wie
es ist. Wir haben es beide gewusst, als wir uns aufeinander eingelassen haben.«
»Und es hat uns nicht davon abgehalten,
es trotzdem zu tun.«
»Nein, hat es nicht!«
»Wir sind nicht das einzige Liebespaar,
das eine Fernbeziehung lebt.«
»Nein!«
»Wirst du stark sein, Tanina?« Wieder
küsste er mich.
»Ja!«
»Wirklich?«
»Ja, ich verspreche es! Te lo giuro, ich
schwöre es!«
Er lächelte.
»Benissimo! Dann werde ich versuchen,
auch damit klarzukommen.«
Es klopfte an der Tür. Mafalda steckte
ihren Kopf zur Tür herein.
»Es ist spät«, flüsterte sie. »Meine
Eltern wollen gleich schlafen gehen, aber sie können das nicht, solange du noch
da bist. Stören wollen sie aber auch nicht.«
»Non c‘ è problema, kein Problem!«, sagte
Mattia und ich hoffte, dass er log. »Deine Eltern waren so schon zu freundlich.
Wir werden ihre Geduld nicht überstrapazieren, stimmt‘ s, Tanina?« Mattia sah
mich an und ich nickte tapfer. Diskret zog Mafalda sich wieder zurück.
Ein letztes Mal lagen wir uns in den
Armen, dann schob ich ihn von mir.
»Geh jetzt! Sonst gehe ich noch mit dir
und lasse mein ganzes bisheriges Leben auf der Stelle sausen.«
Kapitel 22
Kaum war Mattia gegangen, brachte Mafalda
uns noch einen Tee zum besseren Einschlafen mit aufs Zimmer. Signora Caruso
hatte ihn noch gekocht, bevor sie ihrem Mann ins Schlafzimmer gefolgt war. Wir
setzten uns in unsere Betten, die Becher umfasst,und pusteten in unseren Tee.
Es war auch unser beider letzter Abend. Wann ich das nächste Mal käme, war noch
ungewiss. Ich hatte bald Prüfungen, und auch Mafaldas Studium in »Science
Politiche« absolvierte sich nicht von allein. Ob sie zu Ostern nach Hamburg
kommen konnte, wie sie es im letzten Jahr getan hatte, war unwahrscheinlich, so
gern wir uns auch alle hatten. Wir mussten uns erst einmal in der Welt der
Erwachsenen etablieren, bevor wir anfangen konnten, uns unsere Wünsche zu
erfüllen. Das ging nicht nur mir so, sondern auch den anderen. Und auch, wenn
sie nicht so weit voneinander entfernt wohnten wie ich, so hieß dass noch lange
nicht, dass sie sich jeden Tag sehen konnten.
Ja, das waren die Dinge, über die wir an
unserem letzten Abend sprachen. Sie beruhigten mich ein wenig und ich weinte
wenigstens nicht mehr. Der Tee löste sogar vorübergehend den Knoten in meinem
Magen, sodass ich gegen Mitternacht tatsächlich in einen unruhigen Schlaf fiel.
Ich hatte eine lange Reise vor mir. Zeit genug zum Trübsal blasen würde mir mehr als genug bleiben.
Um acht Uhr klingelte der Wecker, und als
mir wieder einfiel, dass ich heute abreisen musste, legte sich eine eiserne
Hand um mein Herz. Ich war definitiv nicht geschaffen für Abschiede dieser Art.
Obwohl Mafalda frei hatte, stand sie auf, sobald ich aus dem Bad zurückgekehrt
war. Obwohl Italiener für gewöhnlich morgens kein wirkliches Frühstück zu sich
nehmen, hatten sich an diesem Sonntagmorgen alle Familienmitglieder um den Küchentisch
versammelt.
Als wir fertig waren, wurde ich
selbstverständlich von Signora Caruso mit Reiseproviant ausgestattet, dann trug
mir Giacomo den Koffer zum Auto.
Es folgte die große Abschiedszene, wie
ich sie mit den Carusos schon mehrmals zelebriert hatte. Doch diesmal fühlte es
sich schlimmer an. Denn diesmal ließ ich mein Herz zurück.
Schließlich fuhr ich los, und als ich um
die Ecke bog, verschwanden auch die Carusos wieder aus meinem Leben. Als ich an
der Ampel zufällig auf den
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