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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Tausende deutscher Juden sind in der gleichen Situation. Kaum einer bekommt ein Visum.«
    »Das tut mir leid«, sagte Daisy, aber das war arg untertrieben: Innerlich wand sie sich vor Verlegenheit, wenn sie daran dachte, wie sie und Boy früher die Faschisten unterstützt hatten. Daisys anfängliche Zweifel hatten sich in Gewissheit verwandelt, als die Brutalität des Faschismus nicht nur in England, sondern auch auf dem Kontinent immer offensichtlicher geworden war. Am Ende war sie erleichtert gewesen, als Fitz sich beschwerte, die Faschistenbrächten ihn in Verlegenheit, und sie bat, die Mitgliedschaft in der British Union of Fascists zu beenden. Mittlerweile betrachtete Daisy es als unfassbare Dummheit, dass sie sich Mosleys Anhängern überhaupt erst angeschlossen hatte.
    Ganz so reumütig war Boy nicht. Er vertrat nach wie vor die Ansicht, Europäer der Oberschicht bildeten eine überlegene Gattung, von Gott auserwählt, die Erde zu beherrschen. Allerdings glaubte er nicht mehr, dass es sich um eine praktikable politische Philosophie handelte. Oft erregte er sich über die britische Demokratie, trat aber nicht dafür ein, sie abzuschaffen.
    Sie nahmen früh zum Abendessen Platz. »Neville wird um halb acht eine Erklärung vor dem Unterhaus abgeben«, sagte Fitz. Neville Chamberlain war der Premierminister. »Ich möchte sie mir anhören. Es könnte sein, dass ich vor dem Dessert aufbrechen muss.«
    »Was meinst du, was geschehen wird, Papa?«, fragte Andy.
    »Ich weiß es wirklich nicht«, erwiderte Fitz ein wenig gereizt. »Wir alle würden einem Krieg am liebsten aus dem Weg gehen, das versteht sich wohl von selbst, aber es ist wichtig, dass wir endlich keinen unentschlossenen Eindruck mehr machen.«
    Daisy überraschte diese Aussage: Fitz glaubte an Loyalität und kritisierte seine Regierungskollegen nur selten, nicht einmal indirekt, so wie gerade eben.
    »Wenn es Krieg gibt«, sagte Fürstin Bea, »ziehe ich nach Tŷ Gwyn um.«
    Fitz schüttelte den Kopf. »Wenn es zum Krieg kommt, wird die Regierung die Eigentümer großer Landsitze bitten, sie für die Dauer der Auseinandersetzungen dem Militär zur Verfügung zu stellen. Als Regierungsmitglied müsste ich mit gutem Beispiel vorangehen. Ich würde Tŷ Gwyn den Welsh Rifles als Ausbildungszentrum zur Verfügung stellen, oder man würde dort ein Lazarett einrichten.«
    Bea war empört. »Aber das ist mein Landsitz!«
    »Vielleicht könnten wir einen kleinen Teil des Anwesens für den privaten Gebrauch zurückhalten.«
    »Ich will nicht in irgendeiner Zimmerflucht wohnen«, erregte sich Bea. »Ich bin eine Fürstin!«
    »Es könnte ganz lauschig werden. Wir nehmen die Pantry desButlers als Küche, essen im Frühstücksraum und benutzen drei oder vier von den kleinen Zimmern als Wohnräume.«
    »Lauschig!« Bea wirkte angewidert, als hätte man irgendetwas Ekliges vor sie auf den Tisch gestellt, sagte aber kein Wort mehr dazu.
    »Boy und ich müssen wohl zu den Welsh Rifles«, sagte Andy.
    May gab einen leisen Laut von sich, der sehr nach einem Schluchzen klang.
    »Ich gehe zur Air Force«, erklärte Boy.
    Fitz war entsetzt. »Das kannst du nicht tun! Der Viscount Aberowen ist immer bei den Welsh Rifles gewesen.«
    »Die Welsh Rifles haben keine Flugzeuge. Der nächste Krieg wird ein Luftkrieg. Die RAF wird händeringend nach Piloten suchen. Und ich habe jahrelange Flugerfahrung.«
    Fitz wollte etwas einwenden, doch der Butler kam herein. »Der Wagen steht bereit, Mylord.«
    Fitz blickte zur Uhr auf dem Kaminsims. »Ja, ich muss los. Vielen Dank, Grout.« Er blickte Boy an. »Triff keine endgültige Entscheidung, ehe wir darüber gesprochen haben. Das geht so nicht.«
    »Wie du wünschst, Papa.«
    Fitz sah Bea an. »Verzeih mir, Liebes, dass ich während des Essens aufbreche.«
    »Aber gewiss«, sagte sie.
    Fitz ging zur Tür. Daisy fiel sein Hinken auf – ein schmerzhaftes Andenken an den letzten Krieg.
    Der weitere Verlauf der Mahlzeit war von düsterer Stimmung geprägt. Alle fragten sie sich, ob der Premierminister dem Großdeutschen Reich den Krieg erklären würde.
    Als die Damen sich erhoben, um sich zurückzuziehen, bat May Andy, ihren Arm zu nehmen. Er entschuldigte sich bei den verbliebenen Herren und sagte: »Meine Frau ist guter Hoffnung«, eine gängige Umschreibung für eine Schwangerschaft.
    »Ich wünschte, meine Frau käme auch so schnell in andere Umstände«, sagte Boy.
    Daisy merkte, wie diese unschöne, ein wenig spitze Bemerkung sie rot

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