Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
das Telefon. Grout ging hinaus, um abzuheben. Er kam sofort zurück und sagte zu Fitz: »Das Foreign Office, Mylord. Der Gentleman wollte nicht warten, bis Sie an den Apparat kommen konnten. Stattdessen soll ich Ihnen etwas ausrichten.« Der alte Butler wirkte betroffen, als hätte jemand ihn scharf zurechtgewiesen. »Der Premierminister hat eine sofortige Kabinettssitzung einberufen.«
»Dann kommt endlich Bewegung in die Sache«, sagte Fitz. »Gut!«
»Der Außenminister bittet Sie, Mylord, sich den Herren anzuschließen, falls es Ihnen gelegen kommt«, fügte der Butler hinzu.
Fitz gehörte dem Kabinett zwar nicht an; aber manchmal wurden Staatssekretäre zu Besprechungen hinzugebeten, bei denen es um ihr Fachgebiet ging. Sie saßen nicht am Tisch in der Mitte, sondern an der Seite des Sitzungssaals, damit sie Detailfragen sofort beantworten konnten.
Bea blickte auf die Uhr. »Es ist fast elf. Aber du wirst wohl gehen müssen.«
»Ja, das muss ich. Die Formulierung ›falls es gelegen kommt‹ ist bloß eine Höflichkeitsfloskel.« Er tupfte sich mit einer schneeweißen Serviette die Lippen ab und hinkte aus dem Zimmer.
»Setzen Sie bitte neuen Kaffee auf, Grout«, sagte Fürstin Bea, »und bringen Sie ihn in den Salon. Es könnte sein, dass wir heute lange aufbleiben.«
»Jawohl, Durchlaucht.«
Alle kehrten in den Salon zurück, wobei sie sich aufgeregt unterhielten. Eva sprach sich für den Krieg aus: Sie wünschte sich nichts mehr, als dass das Nazi-Regime zerschlagen wurde. Natürlich machte sie sich Sorgen um Jimmy, aber er war Soldat; sie hatte immer gewusst, dass der Tag kommen konnte, an dem er sein Leben auf dem Schlachtfeld riskierte. Fürstin Bea sprach sich ebenfalls für den Krieg aus, da sich die Deutschen mit den von ihr verhassten Bolschewisten verbündet hatten. Boy jedoch sah keinen Grund, weshalb zwei große Nationen wie England und das Deutsche Reich um eine »rückständige Einöde« wie Polen Krieg führen sollten. Und May weinte nur, weil sie Angst hatte, Andy könne etwas zustoßen.
Bei der ersten sich bietenden Gelegenheit ging Daisy mit Eva in ein anderes Zimmer, wo sie unter vier Augen reden konnten. »Boy hat ein Verhältnis«, sagte sie ohne Umschweife und zeigte ihrer Freundin die Kondome. »Die habe ich gefunden.«
»Oh, Daisy, das tut mir leid«, sagte Eva.
Daisy erwog, Eva die abscheulichen Einzelheiten zu schildern – normalerweise teilten sie jedes Geheimnis miteinander –, aber dieses Mal fühlte sie sich zu tief gedemütigt und sagte nur: »Ich habe es ihm auf den Kopf zugesagt, und er hat es sofort gestanden.«
»Tut es ihm leid?«
»Nicht besonders. Er sagt, alle Männer seiner Klasse hätten Mätressen, auch sein Vater.«
»Jimmy tut so etwas nicht«, erwiderte Eva mit Nachdruck.
»Da hast du sicher recht.«
»Was wirst du jetzt tun?«
»Ich werde Boy verlassen. Ich lasse mich scheiden, dann kann er sich eine andere Viscountess suchen.«
»Aber das kannst du nicht tun, wenn Krieg ist!«
»Wieso nicht?«
»Es wäre grausam, ihn sitzen zu lassen wenn er auf dem Schlachtfeld kämpft.«
»Das hätte er sich überlegen können, ehe er mit einem Prostituiertenpärchen in Aldgate ins Bett gegangen ist.«
»Aber es wäre feige«, sagte Eva. »Einen Mann, der sein Leben riskiert, um dich zu schützen, kannst du nicht verlassen.«
Widerstrebend gab Daisy ihrer Freundin recht. Ein Krieg machte aus Boy, dem verabscheuungswürdigen Ehebrecher, einen Helden, der seine Frau, seine Mutter und seine Heimat vor dem Gespenst einer deutschen Invasion und Besatzung verteidigte. Und Daisy würde man nicht nur in London und Buffalo als feige betrachten, auch sie selbst würde so empfinden.
»Du hast recht, Eva«, sagte sie widerstrebend. »Wenn es Krieg gibt, kann ich Boy nicht verlassen.«
Die beiden Frauen kehrten in den Salon zurück. Bea lag schlafend auf einer Couch. May saß in Andys Armen und schniefte noch immer. Boy rauchte eine Zigarre und trank Brandy.
Daisy ging zu ihm. »Boy«, sagte sie, »lass es uns noch einmal versuchen.«
»Wie meinst du das?«
»Eigentlich möchte ich dich gar nicht verlassen.«
»Und ich möchte nicht, dass du gehst.«
»Aber du musst diese beiden Frauen in Aldgate aufgeben. Schlaf jede Nacht mit mir. Lass uns versuchen, ein Kind zu bekommen. Das willst du doch auch, oder?«
»Das ist mein größter Wunsch.«
»Tust du dann, worum ich dich bitte? Gibst du diese Frauen auf?«
Er schwieg lange. Dann sagte er: »Also
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